Syrien – schöne Erinnerungen: Aleppo

Es ist ein Blick zurück in die Geschichte; ein Blick in den Januar 2011. Alles beginnt mit der Planung eines monatlichen Rituals: dem Visa-Run. Ich bin zu der Zeit zu Gast in Saudi Arabien und darf mit meinem Visum nur 30 Tage im Land bleiben, bevor ich für eine Verlängerung kurz das Land verlassen muss. Die Chance, die Region zu entdecken. Mehrere Varianten eröffnen sich mir diesen Monat. Iran, Syrien oder doch lieber nochmal in den Libanon? Im Libanon ist die Stimmung gerade etwas aufgeheizt und Iran ist auch nicht ganz so einfach mit den Flügen. Es bleibt Syrien. Bisher ist mir nur Gutes herangetragen worden und so treffe ich schnell eine Entscheidung.

Historische Fassade

Historische Fassade

Das Visa-Spiel

So einfach wie die Entscheidung gefallen ist, ist es aber bei weitem nicht. Mir unterbreitet sich ein kleiner und steiniger Pfad zu einem Visa. In meiner Mittagspause, die dieses Mal etwas länger ausfallen muss, fahre ich zum syrischen Konsulat. Ich betrete eine schlichte Schalterhalle im Zentrum von Jeddah. Es ist voll und die Beschilderung auf Arabisch. Von Schalter zu Schalter frage ich mich durch. Hier und da ist die Sprachbarriere riesig und mein Arabisch einfach zu schlecht, um mit den Angestellten verhandeln zu können. Immer wieder helfen mir andere Besucher des Konsulates und übersetzten mein Anliegen. Mühsehlig geht es voran. Es bleiben mir nicht mehr viele Optionen und die Mitarbeiter des öffentlichen Bereiches finden keinen Prozess, mir ein Visa auszustellen. Gefangen im Prozessdschungel ziehe ich einen letzten Joker: einen Trick eines Kollegen, der das gleiche Problem mit seinem indischen Visa hatte. Ich erbitte um Audienz beim Konsul. Ich werde freundlich abgewiesen. Aber Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Nach mehreren erneuten Bitten werde ich durch eine kleine Nebentür in die Räume des Konsulates vorgelassen. Sehr hilfreich ist es nicht. Ich stehe alleine in einem kleinen Wirrwarr aus Gängen und frage mich von Tür zu Tür mit meinem kleinen „Anliegenzettel“ durch. Doch plötzlich und unerwartet stehe ich vor dem Konsul. In perfektem Englisch werde ich begrüßt und nachdem ich meinen Visa-Wunsch nochmals geäußert habe, findet er schnell einen Weg, mir das Visa auszustellen. Kleiner Haken an der Geschichte: Ich muss von seinem guten Freund, dem deutschen Konsul, einen Brief besorgen, dass er mir ein Visa ausstellen soll.

Meine Mittagspause zieht sich immer mehr in die Länge. Mit einem vorgeschriebenen Brief fahre ich zum deutschen Konsulat. Der Konsul ist natürlich nicht da, aber mir wird versprochen, dass ich den unterschriebenen Brief in ein Paar Tagen abholen kann. So geschieht es auch. Mit Brief und Ausweis fahre ich wieder zum syrischen Konsulat. Wie ein Wunder darf ich sogar meinen Reisepass dort lassen und bekomme einen Tag später das Visa eingeklebt. Die erste Hürde ist geschafft!

Al-Hatab Platz im Jdeydeh Viertel

Al-Hatab Platz im Jdeydeh Viertel

Bar auf die Flosse

Am Vorabend zum Flug, Anfang Februar, sitze ich mit Freunden am Pool und genieße das obligatorische alkoholfreie Getränk. Es ist brütend warm. Für saudische Verhältnisse kühl. Ich bleibe eher bei warm in der Beschreibung. Es sind immerhin über 25 Grad. Ich packe noch schnell meinen kleinen Rucksack und denke bei der Hitze nicht an kühlere Gefilde. Diese Achtlosigkeit soll sich in Damaskus noch bitter rächen. Aber erstmal geht es nach Aleppo oder Halab, wie es im Orient einst hieß. Es ist 5 Uhr morgens als mein Flugzeug abhebt und mich eine Stunde später über dem Flughafen von Aleppo kreisen läßt.

Es dauert auch nicht lange, da trete ich auch schon zum Immigrationsschalter vor. Mein Reisepass wird bis auf die letzte Seite gefilzt und ich muss mich zu einem unleserlichen Transit-Stempel aus Ägypten rechtfertigen. Zu groß ist die Anspannung, dass es ein israelischer Stempel sein könnte. Selbst diese Hürde nimmt mein Reisepass mit Bravur. Bis zur Ausreise werde ich ihn nicht mehr brauchen. Sehr angenehm.

Jetzt steht das obligatorische Geld abheben an. Meine Karte wird gierig vom Automaten eingezogen. Müde wie ich noch bin, stehe ich gemütlich vor dem Automaten und schaue routiniert auf den Bildschirm. Es tut sich nichts. Die dennoch bekannten Geräusche klackern den Rythmus des Ausspuckens. Irritiert halte ich meine Karte wieder in der Hand und bekomme in zweisprachiger Einigkeit die Meldung präsentiert, dass meine Karte nicht akzeptiert wird. „Doofe Bank“, mein erster Gedanke. Ein zweiter Automat grüßt mich mit freundlichem Rauschen und gibt mir meine Karte wieder zurück. Bargeld sehe ich keins und langsam wache ich auf. Die Gehirnwindungen laufen warm. Ich brauche Geld, sonst wird es sehr spannend die nächsten Tage. Mir geht ein Licht auf. Es gibt ein Embargo und vielleicht muss meine Bank mich hier wirklich sitzen lassen. In meiner letzten Not tausche ich die letzten saudischen Rial in meinem Geldbeutel in syrische Lira um. Gut, da muss ich etwas sparsamer Leben.

Saint Elias Kathedrale im Jdeydeh Viertel

Saint Elias Kathedrale im Jdeydeh Viertel

Die Altstadt

Mein kurzer Visa-Run sieht drei Tage in Syrien vor. Es ist ein kurzes Intermezzo, aber die Erfahrungen dafür umso intensiver. Ein Taxi bringt mich in die Altstadt. Ich steige einfach irgendwo aus. Mein Orientierungssinn darf am frühen Morgen noch etwas arbeiten. Es ist ein traumhafter Tag. Der Himmel leuchtet in seinem schönsten Blau, die Sonne heizt die Straßen schon am frühen Morgen gut auf. Begrüßt werde ich von kleinen gelben Taxis, die den Uhrturm umrunden und ein interessantes Bild abgeben.
Das erste Ziel des Tages ist das Nationalmuseum. Von dort aus gelange ich zu dem „Hotel Baron“. Ein Blick in die Lobby wirft mich um fast 100 Jahre zurück. 1911 eröffnet, war es das erste Hotel in der Region und beherbergte berühmte Gäste wie Lawrence von Arabien und King Faisal, der die syrische Unabhängigkeit vom Balkon aus verkündete. Ein Blick in die Bar bestätigt den unwiderstehlichen Charme des Gebäudes. Ob es gut ist, das sich hier gefühlt nichts verändert hat?

Bar des Baron's Hotel

Bar des Baron’s Hotel

In wildem Zickzack bahne ich mir den Weg durch die Stadt und erkunde das Jdeydeh Viertel, bevor ich das Volks- und Traditionsmuseum betrete. Um 1757 gebaut, beherbergte es eine wunderschöne Kollektion von Trachten und ein Blick vom Dach in den Innenhof lässt das Herz höher schlagen. Wundervoll verzierte Wände, ein kleiner Brunnen und fast golden schimmernde Fliesen dekorieren ihn. Ein Blick in die Ferne eröffnet eine Aussicht über die Hausdächer der Altstadt. Eine Mischung aus Flachdächern, Kuppeln und Satellitenschüsseln.

Blick über die Altstadt von Aleppo

Blick über die Altstadt von Aleppo

Mein nächstes Ziel ist die Zitadelle von Aleppo. Hoch über der Stadt thront sie in mächtiger Imposanz. Umgeben von einem Graben ragen die Außenmauern in den Himmel. Ein enormer Ring, zuerst noch Straße, dann mehr Fußgängerzone umgibt die Festung. Im Flugzeug wurde ich zwar minimal versorgt, aber mein Entdeckungsdrang fordert sein erstes Opfer: meinen Hunger. In einem kleinen Café vor der Eingangsrampe suche ich mir einen ruhigen Platz und frühstücke.

Zitadelle von Aleppo

Zitadelle von Aleppo

Über die riesige Rampe gelange ich in das Innere der Festung. Der prächtige Thronsaal der Mamluken lässt keine Wünsche offen. Minutiös restautriert schimmert die bunte Deckenverzierung und spiegelt sich auf dem Fußboden. Ich starte von hier aus meine Entdeckungstour der vielen kleinen Ruinen in der Zitadelle und laufe einmal auf der Außenmauer um die Festung. Zu Fuße liegt die Altstadt von Aleppo. Der Al-Madina Souq mit seinen ersten Teilen aus dem 15. Jahrhundert liegt vor mir. Die engen Gassen des größten überdachten Marktes der Welt lassen sich nur erahnen und verstecken sich schüchtern unter den Gewölbedecken. Die wertvollen Waren aus Nah und Fern lasse ich mir nicht entgehen und schlendere duch die schumrigen Gassen des Souqs.

Panorama der Zitadelle von Aleppo

Panorama der Zitadelle von Aleppo

Die verwinkelten Gassen spucken mich in der Nähe der großen Moschee wieder aus. Von einem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite habe ich einen guten Ausblick auf die Moschee und die dahinterliegende Zitadelle. Die immer tieferstehende Sonne lässt die Stadt in leichtem Rot erscheinen. Es wird Abend und langsam Zeit für mich zu meiner Unterkunft zu gehen.

Al-Madina Souq von Aleppo

Al-Madina Souq von Aleppo

Blick entlang der Großen Moschee von Aleppo zur Zitadelle

Blick entlang der Großen Moschee von Aleppo zur Zitadelle

Die Gastfreundschaft

Im Hotel werde ich schon erwartet. Ich treffe hier auch auf zwei weitere Rucksackreisende. Spontan läd uns der Hotelbesitzer zu einer Stadtrundfahrt ein. Er zeigt uns sein neues Haus und die Vororte von Aleppo. Die Fahrt endet wieder in der Innenstadt, wo wir in sein Lieblingsrestaurant entführt werden. Zu seiner herzlichen Einladung lässt er den Tisch decken und wir essen uns gemeinsam den Bauch voll. Er erzählt uns über sein Geschäft und seine Familie und zurück im Hotel sitzen wir noch lange beisammen und unterhalten uns.

Katzen auf den Dächern

Katzen auf den Dächern

Am nächsten Morgen treffen wir uns wieder auf dem Balkon des Hotels. Es ist eng, aber gemütlich und die kleine Gasse entlang der Mauer ist schon rege belebt. Vom Nachbardach aus werden wir von zwei Katzen beobachtet und die Geräusche der Straße werden zu uns hinaufgetragen. Es wird Tee serviert und wir genießen die Sonnenstrahlen im morgendlichen Aleppo.

Ein herrlicher Start in den Tag!

Beim Morgentee

Beim Morgentee

Syrien – schöne Erinnerungen:

Teil 1 – Aleppo
Teil 2 – Krak des Chevallier
Teil 3 – Damaskus

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