Mein letzter Stopp auf der nördlichen Kulturrunde in Äthiopien führt mich in das abgelegene Lalibela. Aus allen Richtungen muss man meist einen Zwischenstopp einlegen um in die ehemalige Königsstadt zu gelangen. Die Strecke durch die Berge zieht sich und aber man wird auf den luftigen Pässen mit Bergpanoramen belohnt. Bei mir kommt ein gewisses Hochgebirgsgefühl auf.
Die letzten Kilometer geht es noch einmal den Berg hinauf. In Schlangenlinien windet sich die Straße bis nach Lalibela. Seine Sehenswürdigkeiten bleiben mir aber vorerst unter dem Fels verborgen.
Ich muss mich erstmal stärken und verabrede mich mit einem Reisenden, um ein wenig über den Süden von Äthiopien zu sprechen und Informationen auszutauschen. Ein Avokado-Papaya-Saft tut sein bestes und nach der schmackhaften Mittagspause ziehe ich los.
Die ersten Meisterwerke
Mit einem Auszug aus einem Reiseführer bewaffnet und dem unverschämt teuren Ticket in der Tasche, betrete ich den Komplex durch den Haupteingang und lasse mich durch das kleine Museum führen. Ich bin etwas enttäuscht, denn für meine 50 Dollar bekomme ich nur eine Erlaubnis, die Kirchen zu betreten. Für Videos müsste ich extra 15 Dollar zahlen und der Führer kostet nochmalige 25 Dollar. Als wäre das nicht genug, verlangen die Priester in den Kirchen Trinkgeld, wenn man von ihnen ein Foto macht. Das Schlimmste, mit ein wenig Dreistigkeit kann man fast überall hin umsonst laufen. Auch das Museum ist simpel eingerichtet und keinen so riesigen Eintritt wert. Selbst Erklärungen und geschichtliche Hintergründe bekommt man nur von einem Guide erklärt. Gut für die auditiven Gäste, ich mag es lieber visuell.
Ich verlasse das Museum und nur einige Meter weiter öffnet sich der Fels und im Boden versenkt erscheinen die ersten beiden der elf Meisterwerke: Bet Medhane Alem und Bet Maryam. Die schiere Größe beeindruckt, aber auch die Entstehungsgeschichte. Die ersten Spuren von Hammer, Axt und Meißel lassen übermenschliches vermuten. König Lalibela wollte in der Zeit seiner Herrschaft, beschwingt durch seine Reise in das Heilige Land, das Leid seiner Bevölkerung bei Reisen dorthin – und der Legende nach – nach einer Eingebung, ein zweites Jerusalem auf äthiopischem Boden erschaffen. Den Gelehrten zufolge wurden die Kirchen innerhalb von 23 Jahren gebaut. Wie dies möglich ist: die Engel haben geholfen, denn es scheint unwahrscheinlich das 40000 Menschen dieses Werk vollbracht haben sollen. Es bleibt ein Rätsel mit vielen Legenden.
Dennoch stehe ich nun davor. Komplett aus dem Felsen herausgestellt, komplett umrundbar und innen dekoriert und natürlich auch alles aus dem Felsen gehauen. Erinnerungen an Petra in Jordanien werden wach. Ich klettere durch Tunnel, steige Treppen hinauf, stehe manchmal in einer Sackgasse und wundere mich, wie man zu dem anderen Gang gelangt. Ein kleines Labyrinth, welches erkundet werden möchte. Ich werfe in jede Kirche einen kurzen Blick und verirre mich wieder auf dem Weg zur nächsten.
Bet Giyorgis kommt mir dann sehr bekannt vor. Es ist die berühmte Kirche von allen Bildern. Ohne schützendes Dach ist sie natürlich auch die photogenste. Durch einen langen Kanal verlasse ich die Kirche wieder und stapfe zur südöstlichen Gruppe.
Vier weitere Kirchen erwarten mich. Da aber um 17 Uhr Feierabend ist, beeile ich mich und hebe mir das Staunen und Wundern für den nächsten Tag auf. Ein kräftiger Regenschauer zwingt mich zurück ins Hotel und als die Wolken weiterziehen, lasse ich den Tag an einen Aussichtspunkt ausklingen und beobachte den goldenen Himmel über Lalibela.
Hölle, Himmel, Paradies
Ein neuer Tag beginnt und mit drei weiteren Deutschen teile ich mir einen Guide. Dem Entdeckerdrang vom Vortag wird nun eine große Ladung Detailtiefe und Hintergrundwissen hinzugefügt. Formationen, Ausrichtungen und Malereien werden erklärt. Zum Mittagessen unterbrechen wir die Tour und ich folge einer Einladung eines Einheimischen in sein Haus. Ich bekomme Fasten-Injera serviert und wir unterhalten uns prächtig, während nach dem Essen Kaffee serviert wird. Eine aufwändige Prozedur, die aber so manchem Kaffeetrinker ins Gewissen redet. Hier ist Kaffee heilig und alles wird sorgfältig und frisch zubereitet.
Über einem kleinen Holzkohlefeuer werden die Kaffebohnen geröstet und den Kaffeetrinkern schwenkend und qualmend präsentiert. Daraufhin wird Wasser erhitzt und in mühevoller Handarbeit der Kaffee gemörsert. Gekocht wird der Kaffee final in einem traditionellen, birnenförmigen Tongefäß mit kleinem Ausguß. Es werden immer drei Gänge in kleinen Tassen serviert. Für jeden Gang gibt es sogar einen eigenen Namen. So ist der erste, Abol, der stärkste Kaffee, während der zweite, Toria, abgeschwächt ist und beim dritten, Baraka, noch etwas Wasser hinzugefügt wird.
Gestärkt und munter geht es für mich zum zweiten Teil der Tour. Dieses Mal nicht in Hast beginnt der Weg in den Kirchen Bet Gabriel und Rufael. Über eine neuzeitliche Brücke betreten wir die Terrasse und die Kirche. Womöglich einst als Palast konzipiert, weißen die Kirchen keine Ausrichtung auf und sind abgeschnitten von den anderen. Die Wissenschaft streitet sich immer noch über den wahren Eingang.
Durch lange Kanäle gelangen wir zum Eingang der Hölle. Während an der vorherigen Kirche der Weg in den Himmel dargestellt wurde, müssen wir nun dreißig Meter durch die dunkle Hölle laufen. Am Ende erwartet uns ein schumriges Licht und eine Gabelung. Der Weg gerade aus ins Paradies ist versperrt und wird erst zum Weltuntergang geöffnet. Wir nehmen also die Treppe in den Himmel und kommen in der nächsten Kirche an. Von hier aus führt wiederum ein Tunnel zum letzten großen Meisterwerk: Bet Amanuel. Der Tunnel zum Paradies endet in der wohl dekorierten Kirche. Das zweistöckige monolithische Gotteshaus, ist vollkommen freigestellt und feinstens verziert. Die Präzision ist einmalig unter den Felsenkirchen in Lalibela und lässt die hochtechnologisierte Welt alt aussehen.
König Lalibela – Künstler ohne Grenzen
Die Leistungen der Menschen in Aksum und Lalibela sind selbst heute kaum nachvollziehbar und bieten Raum für Engel und Legenden.
In tiefster Verneigung vor der Kunst, Arbeitskraft und Meisterleistung dieser Menschen verabschiede ich mich von meiner nördlichen Runde durch Äthiopien. Zurück bleiben Eindrücke, die die Neuzeit in den Schatten stellen.
Schöne Bilder! Lalibela habe ich leider auf meiner Äthiopienreise nicht gesehen. Muss faszinierend sein …