Nachisar – Krokodile und ein müder Ranger

Wenn Touristen den Namen Arba Minch überhaupt schonmal gehört haben, dann wahrscheinlich als Ausgangspunkt für die Erkundung des Omo Tals und der dort lebenden Stämme. Oft übersehen, manchmal im Paket mit enthalten, aber definitiv nicht lang und massig besucht, ist der Nachisar Nationalpark im Osten von Arba Minch; ein kleiner Geheimtipp.
Die bekannteste Attraktion ist der Krokodilmarkt („Crocodile Market“) und 99% aller Touristen sehen ihn vom Boot aus. Ich komme mal von der Landseite.

Auf in den Süden

Auf in den Süden

Arba Minch

Eine lange Busreise aus Harar kommend liegt hinter mir. Fünf mal in einen anderen Bus einsteigen, einen Bajaj (Tuktuk) in Anspruch nehmen und einen Zwischenstopp in Awassa einlegen; so komme ich nach drei Tagen endlich in Arba Minch an. Ich bin glücklich, dass mich Meheret an der Bushaltestelle empfängt. Sie war der Guide von einem guten Weggefährten im Norden von Äthiopien und ich wurde schon angekündigt. Ich lasse mich zu einem Hotel bringen, muss mich um nichts kümmern und bin von der Gastfreundschaft überrascht. Sie erklärt mir während des  Mittagessens alles, was ich über die Stämme im Tal am Unterlauf des Omos wissen muss. Meine Budgetvorstellungen eingeschlossen, erarbeiten wir einen Schlachtplan. Leider enthält dieser andere Rucksackreisende, um die nötigen Mietbusse zu teilen. Es sind aber keine in Sicht. Also entschließe ich mich einen Tag zu warten.

Bushaltestelle von Awassa

Bushaltestelle von Awassa

Meheret lädt mich am späten Nachmittag zum Kaffee ein und ich werfe meine Idee, zum Krokodilmarkt zu Fuß zu gehen in den Raum. Ein entsetzter Blick ihrerseits folgt. Verrückte Idee! Diese Aussage werde ich mindestens noch einmal von der Verkäuferin hören, die am Taschenrechner meine Keks- und Wasserrationen zusammen addiert und mir nicht glauben will. Meheret und ein befreundeter Guide machen mir schlussendlich aber Mut. Ich werde es also versuchen. Den Abend beschließen wir bei einem echten Italiener, leider aber in der Fastenzeit vor Ostern, was die Karte ziemlich einschränkt.

Nachisar Nationalpark

Mein Tag beginnt früh. Es ist noch nicht viel los auf der Straße, das Hotel baut noch seine Tische auf, die Luft ist angenehm kühl und die Reste des nächtlichen Regens tropfen auf mich herunter. Es ist Sieben Uhr, als ich meinen kleinen Rucksack schultere. Bepackt mit vier Liter Wasser und drei riesigen Kekspackungen ziehe ich los zum Parkeingang. Ein paar einsame Motorräder fahren an mir vorbei, die kleinen Kioske bauen ihre Auslage auf und ein Bajaj bietet sich mir als Weghilfe an. Ich lehne dankend ab.
Am Tor studiere ich die vorgegebenen Routen. Ich finde zwei für Trekker, aber keinen Krokodilmarkt. Auf Zebras habe ich keine Lust und die andere Tour ist mir zu kurz. Mit einem Ranger diskutiere ich die Option, mein Ziel doch noch zu erreichen. Er willigt ein, mich für den Tagessatz bis an die Spitze des Pfades, zum Krokodilmarkt zu bringen. Mir war von Anfang an die Distanz bewusst, 30 km Wanderung durch dicht bewachsenes Gebiet. Der Ranger ist aber zuversichtlich und ich muss sogar mein Tempo drosseln, ich habe zu lange Beine für ihn und renne regelrecht davon. Sein Name ist Carta Cadeaux („Karte Geschenk“) und später müssen wir von seinen geschenkten Kartenkenntnissen ausgiebig Gebrauch machen. Die ersten Kilometer führen uns zu den Forty Springs, den Quellen von Arba Minch. Überall sprudelt Wasser aus dem Boden, ein kleiner Bach am Fuße bildet sich und schlängelt sich durch den Wald. Wäre da nicht die Pumpstation, die direkt darauf gebaut ist, wäre es ein idyllischer Ort. Wir verlassen die Straße und ein kleiner Pfad führt uns entlang des frischen Flusses.

Forty Springs in Arba Minch

Forty Springs in Arba Minch

Hier zeigt sich auch gleich, wieso ein Nationalpark Ranger braucht. Anfangs noch hoch motiviert, mit jedem Zwischenfall immer lustloser, zeigt mir Karta seine Arbeit. Ein Holzdieb taucht auf unserem Pfad auf, Karta spottet ihn und rennt einige Meter mit vorgehaltenem Gewehr hinterher. Lässt aber nach einigen Metern ab und kommt zurück. Er erklärt mir, dass illegaler Holzschlag ein großes Problem ist. Mir wird dies in den nächsten Stunden immer klarer. Ich weiß gar nicht, wieviele vor uns ins Dickicht flüchten und wieviele Karta ermahnt. Unternehmen tut er leider nichts. Vielleicht zu viele, vielleicht weil er meinen Auftrag als wichtiger ansieht.

Carta Cadeaux bei der Arbeit

Carta Cadeaux bei der Arbeit

Nach einigen Kilometern wird aus dem Pfad nicht mehr als ein vermeintlicher Weg durch dichtes Unterholz. Wir kommen langsam voran. Es ist ein Kampf gegen Dornen, schmalen Durchgängen, um sich schlagenden Ästen und den Fluss mit riesigen Krokodilen. Wir müssen den Fluss zweimal queren. Als Brücke dient jeweils ein umgestürzter Baum. Karta balanciert als erster über das glitschige Holz. Ein paar eingehauene Stufen helfen mir bei der ersten Querung. Bei der zweiten trete ich natürlich auf ein loses Stück Holz im Wasser und gehe knöcheltief unter. Die Orientierung wird zunehmend schwerer und Karta erweist sich als wertvolle Navigationshilfe. Je näher wir dem Krokodilmarkt kommen, desto offener wird das Gelände und wir kommen wieder schneller voran.

Brücke über den Fluß

Brücke über den Fluß

Chamosee

Der rote Boden ändert sich schlagartig von staubig in matschig. Wir haben das Flussdelta erreicht und sind dem Chamosee und dem Krokodilmarkt nahe. Über den ersten Flussarm springen wir noch drüber, über den zweiten baue ich mir eine kleine Brücke aus Treibholz und über die letzten kommen wir nicht rüber. Wir ziehen die Schuhe aus und warten die letzten Meter zu den Krokodilen. Vögel ziehen an uns vorbei, das Schilf versperrt manchmal die Sicht auf den See und die Mittagssonne verausgabt sich und heizt uns ordentlich ein.

Touristenboot am Crocodile Market

Touristenboot am Crocodile Market

Ein Touristenboot nähert sich von der Seeseite und ich werde von den chinesischen Kameras ins Visier genommen. Ich im Gegenzug fotografiere die Hippos und Krokodile im Wasser und an Land.

Hippos im Nachisar Nationalpark

Hippos im Nachisar Nationalpark

Der Versuch etwas näher an ein verstecktes Krokodil zu kommen endet für mich aber im Schlamm. Mit beiden Beinen stecke ich Knietief fest und Karta hat seine Mühe mich wieder raus zu ziehen.
Wir kehren um und pausieren unter einem Baum, ich teile mit Karta mein Wasser und ermuntere ihn für den Rückweg. Er schlägt eine Abkürzung zur Hauptstraße vor und von dort mit dem Bajaj zurück. Ich bin aber guter Dinge, zu Fuß zurückzukehren. Nach 25 km scheucht er mich dann aber schlussendlich in ein fahrenden Untersatz. Seine Füße tun weh und er ist müde.
Es ist das erste Mal, das ich einen Ranger in seinem eigenen Terrain schlage. Ich glaube am Ende war er froh, einfach nur wieder zurück zu sein.

Krokodil im Nachisar Nationalpark

Krokodil im Nachisar Nationalpark

Ich finde am Abend auch endlich Backpacker. Mein Ausflug ins Omo Tal kann beginnen.

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