Verpeilspitze – Planlos in den Bergen?

Wer an das Pitztal denkt, kommt meist nicht an der Wildspitze, dem zweit höchsten Berg Österreichs vorbei. Auch werden gleich Erinnerungen an Wintersport, Gletscher und Wandern wach. Aber habt ihr denn schon mal was von der Verpeilspitze gehört? Nein? Ihr seid doch nicht etwa alle total verpeilt.

Watzespitze im Sonnenaufgang

Verpeilt zum Gipfel

Natürlich seid nicht ihr verpeilt, sondern ich. Ich muss schon etwas suchen, um mein Ziel auf der Karte erstmals zu finden. Dann stellt sich aber gleich die Frage, wieso gleich der ganze Berg verpeilt sein soll. Vielleicht sieht man ihn nicht aus dem Tal? Vielleicht ist er einfach total falsch vermessen oder der Weg dorthin ein reinster Irrweg. Mein Entdeckergeist ist geweckt. Ich will es wissen, was es mit diesem so unscheinbaren Berg zwischen dem Pitztal und dem Kaunertal in Tirol auf sich hat. Während jeder ganz verrückt nach der Wildspitze ist, will ich es mal verpeilt angehen lassen und das Rätsel um diesen Namen lösen. Natürlich darf auch der sportliche Einsatz nicht fehlen und dieses Mal geht es etwas über das normale Wandern hinaus. Der Kletterführer spricht von Kletterpassagen bis Stufe II+, also schon der erste Einsatz von Händen und das „+“ für etwas Krafteinsatz.

Kaunergrathütte und Watzespitze

Das ist ein guter Einstieg in die Materie Klettern, aber immer noch gut machbar. Vorausgesetzt man hat jemanden dabei, der weiß, wie es geht. Und hier kommen die Pitztaler Bergführer ins Spiel. Ich fühle mich einfach sicherer unter professionellen Fittichen zu sein und da es alleine nie so toll ist, schließe ich mich einer Gruppe Bergenthusiasten an.

Seilbahn zum Glück

Ausgangspunkt ist Plangeross beziehungsweise Mandarfen. Am Parkplatz der Rifflseebahn treffen wir uns, werden herzlich begrüßt und gründlich gemustert. Während Alfi, unser Bergführer, die Ausrüstung holt, klekse ich mir Sonnencreme ins Gesicht. Die Sonnencreme ist noch nicht ganz eingezogen so flink ist Alfi schon wieder zurück, drückt uns einen Klettergurt und einen Helm mit einer Portion guter Laune in die Hand. In nur wenigen Minuten erreichen wir den Rifflsee. Aus dem warmen Tal ins frische Bergklima. Ich greife unbewusst zur Mütze. Mit Schnee habe ich zwar gerechnet, aber es ist doch Hochsommer. Das Gefühl ist entsprechend komisch.

Schneemann am Rifflsee

Das Floß auf dem Rifflsee liegt an seinem Pier. Die neue Attraktion auf dem See muss heute leider eine „Windpause“ machen. Auf einem der verschneiten Tische hat jemand einen kleinen Schneemann gebaut. Ich greife in den Schnee und hole mir sofort kalte Hände. Erst mit einem heißen Cappuccino im Restaurant neben der Bergstation löst sich mein anfänglicher Frost. Und als wir dann in den Cottbusser Höhenweg einsteigen, ist mir überhaupt nicht mehr kalt. Mit dabei ist Wolfgang Schranz. Er ist Bergwanderführer und heute unser Naturguide. Zu jeder Pflanze kennt er eine Geschichte, ob es nun ein Aphrodisiakum, eine Heilpflanze oder eine Pflanze der giftigen Art ist. Auch die Tierwelt eröffnet sich uns aus einem ganz neuen Blick.

Rifflsee

Zur Unterstützung von Alfi ist Fredl noch zu unserer Gruppe hinzugestoßen. Zusammen überqueren wir den Cottbusser Höhenweg. Zwei Passagen sind mit Fixseilen gesichert und nichts für ungeübte Wanderer. Unsere Gruppe kommt super durch und es bleibt sogar viel Zeit, um die Aussicht über das Pitztal und hoch zum Brandkogel zu genießen. Nach weiteren zwei Stunden kommen wir an der Kaunergrathütte an. Auf 2817m gelegen ist die Hütte nur zu Fuß zu erreichen. Es gibt keine Materialseilbahn, dafür aber noch das mittlerweile rare Hüttengefühl. Hier ist wirklich alles entweder zu improvisieren oder zu planen. Und zur Kategorie „Planen“ gehört hier definitiv die liebevolle Deko. Zur Freude vieler gibt es sogar eine warme Dusche. Mit gutem Essen, Bier und Wein lassen wir den Abend ausklingen und pünktlich zur Nachtruhe sind wir alle im Hüttenschlafsack verschwunden.

Kaunergrathütte

Wo geht’s lang?

Das Frühstück steht schon bereit, als ich kurz nach 6 Uhr noch etwas schlaftrunken den Gastraum betrete. Alfi sitzt bereits am Tisch, neben ihm der dritte Bergführer unserer Gruppe: Bene. „Warum so viele Bergführer?“ mag sich manch einer fragen. Wir sind hier, um etwas zu lernen und um eine großartige Erfahrung zu machen und dazu gehört ein gutes Verhältnis von „Kunde“ zu Bergführer. In der Bergführervereinigung des Pitztals sind insgesamt sechs Bergführer. Wir haben uns das Dreamteam geschnappt.

Dreamteam der Bergführer
Weg zur Verpeilspitze

Die drei haben sich in dieser Konstellation seit Monaten nicht mehr gesehen und man sieht ihnen die Wiedersehensfreude regelrecht an. Sie machen Scherze und zeigen vollen Elan. Leider steigen kurz vor den Kletterpassagen zwei Mitstreiter aus. Bei dem einen macht sich die Höhe zu stark bemerkbar, bei dem anderen sind es die Knie. Sie kehren zusammen mit Wolfgang um.

Aufstieg zur Verpeilspitze

Ich bleibe mit den drei Bergführern und fünf weiteren Mädeln übrig. Schon im unteren Bereich stapfen wir durch Schnee und kurz nach dem Anseilen ist klar, dass wir einige Klettereinlagen auf leicht vereistem Terrain machen müssen. Mit bemerkenswerter Routine steigen die Bergführer jeweils vor und sichern uns nach oben. Kein Schritt ohne die Sicherheit des Seils. Ich merke langsam die Höhe der Verpeilspitze. Ihre 3423 Meter sind für mich nach Monaten auf fast Meeresniveau schon anstrengend. Aber wir schaffen es und kommen gut voran.

Aufstieg zur Verpeilspitze

Aufstieg zur Verpeilspitze

Gerade als die Routine einsetzt und die leichte Anspannung immer mehr dem Spaß weicht, kündigt Fredl die letzten beiden Seillängen an. Er schaut mich irritiert an, als ich ein lautes „Och nö“ ausstoße. Von mir aus könnte es noch eine Weile so weiter gehen. Aber wie angekündigt, taucht der Gipfel mit seinem neuen Holzkreuz über uns auf und nur wenige Minuten später stehen wir auf dem Gipfel der Verpeilspitze. Gerade so sind wir unter den Wolken. Sie sind zum Anfassen nahe, aber es reicht für eine breite Aussicht, auch wenn der angekündigte Sonnenschein auf sich warten lässt.

Aussicht von der Verpeilspitze

Rutschpartie

Elegant und geschmeidig, wenn auch mittlerweile ziemlich rutschig, klettern wir wieder den Berg hinab. Ein kleines Schneefeld am unteren Teil nutze ich für eine kleine Rutschpartie und genieße die improvisierte Schlittenfahrt auf meinem Hintern. Ob das nun als „Verpeilt“ gilt? Ich bin mir nicht sicher. Denn mittlerweile habe ich so viele Versionen gehört, warum der Berg Verpeilspitze heißt. Aber alte, mir zugespielte Dokumente besagen, dass „verpeilt“ so etwas wie abgelegen und schön bedeutet. Beides kann ich unterschreiben. Die Quelle spricht weiter von „formschönen, zarten Eisbändern“, die den Felsen verzieren und dem Berg ein neckisches Häubchen aufsetzen. Der Autor scheint verzückt zu sein, denn er beendet die Beschreibung mit einem „selten wird man Lieblicheres in den Bergen erschauen.“ Ich frage nicht mehr weiter nach und akzeptiere die Variante „Verpeilt = Schön“.

Gipfelfoto auf der Verpeilspitze

In der Kaunergrathütte lege ich kurz die Beine hoch, genieße das gemeinsame Mittagessen und bereite mich seelisch auf den Abstieg vor. Nichts schwieriges, aber ein jeder Abstieg bedeutet auch ein Ende der Reise. Ich merke mir noch schnell die Klettersteige und die Gletschertour vor; Alfi erwähnte auch Eisklettern in Wasserfällen. Wieso reicht eigentlich nie die Zeit, um all das Schöne zu machen? Darüber könnte ich jetzt noch Stunden philosophieren. Doch bevor die Melancholie einsetzt, stoße ich lieber mit meinen Bergfreunden auf die erfolgreiche Besteigung der Verpeilspitze an! Prost!

Vielen Dank an den Tourismusverband Pitztal für die Einladung!

Eine Antwort zu “Verpeilspitze – Planlos in den Bergen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert