Hoch in den Bergen liegt noch etwas Schnee. Einige Schneefelder zieren sich, zu schmelzen und auch die Gletscher strahlen in der Sonne. Die Region um Ischgl kennt fast jeder aus der Winterzeit, wenn hier der Bär steppt und die Pisten und die Après-Ski-Bars das Leben bestimmen. Im Sommer wird es ruhig und die Wanderer und Sommersportler ziehen ein. Die steilen Pisten werden zu saftigen grünen Wiesen und an den Berghängen blühen die Blumen in leuchtenden Farben: gelb, blau und rosa. Auf den Bergpfaden trifft man auf Mountainbiker und E-Bike-Fahrer genauso wie Wanderer, die sich den Tälern und den hohen Bergen verschrieben haben.
Ich schließe mich hier den Wanderern an und will die Region zu Fuß erkunden. Ein Wochenendausflug ins Paznauntal.
Von Kalorien und Wanderern
Jedes freie Wochenende zieht es mich in die Berge. Ich kann es einfach nicht lassen. Dabei gehört es für mich auf einer ordentlichen Tour in den Bergen dazu, eine Pause auf ein oder mehreren Hütten einzulegen. Meine Woche ist geprägt von Fast-Food hier, Kantinenessen dort und ab und zu etwas Abwechslung am Abend. Aber an eine deftige Brettljause kommt nichts heran. So freue ich mich jedes Mal wieder auf typische Kost und würde am liebsten gar nicht mehr aufhören davon zu schwärmen.
Mein Vorabend nimmt mir meinen Wunsch, in die Berge aufzubrechen, noch etwas übel. Aber genau so wie sich der Nebel vor meinem Hotelfenster langsam verzieht, so verzieht sich auch der Vorabend und bereitet mir eine Aussicht auf das Ischgler Bergpanorama zum frühen Morgen. Hochmotiviert zurre ich meine Wanderstiefel fest und mache mich auf den Weg zum Treffpunkt. Es ist noch angenehm kühl. Genau meine Betriebstemperatur.
Ich bin zur Eröffnung des 9. Kulinarischen Jakobsweges angereist und treffe mich mit anderen Wanderbegeisterten, um zur Jamtalhütte aufzusteigen. Mit dabei sind fünf Sterneköche aus Deutschland, Österreich, Großbritannien, Niederlande und Portugal. Jeder Spitzenkoch hat für je eine Hütte im Paznaun ein bodenständiges Gericht für die Sommersaison kreiert und zur Eröffnung werden alle Gerichte auf der Jamtalhütte vorgestellt. Für mich ein guter Grund, nicht zu trödeln und die Wanderung in Angriff zu nehmen. Der schmale Wanderpfad schlängelt sich parallel zum Bergfluß in die Höhe.
Es ist eher eine gemütliche Wanderung ohne größere Steigungen und so genieße ich die Aussicht umso mehr. Den Jamtalgletscher immer vor Augen, weist er uns den Weg in Richtung Hütte. Auf 2164 Metern erreichen wir die Jamtalhütte. Eingerahmt durch das Jamtal und ein weiteres Seitental bietet die Hütte ein wundervolles Panorama. Mit ordentlich Hunger nach dem Aufstieg, probiere ich die Gerichte der Köche durch. Mein Favorit dabei ist die knusprige Ofenkartoffel von Konstantin Filippou, dicht gefolgt von der geschmorten Almochsenschulter mit gebratenen Erdäpfeln von Frédéric Morel.
Gestärkt mit so vielen genüsslichen Kalorien im Bauch, kann die Wanderung weitergehen. Ich steige noch weitere 300 Höhenmeter auf. Ganz zum Gletscher schaffe ich es nicht mehr. Die Zeit drängt und ich muss wieder absteigen. Doch zuvor koste ich den Blick auf den Gletscher und den Fernblick in das Tal hinab aus. Grelle grüne Hänge wechseln sich mit steilen schroffen Felswänden ab. Von überall stürzen Wasserfälle die steilen Hänge hinab und rauschen mit großem Getöse talabwärts. Hier oben quert der Wanderweg einige Male kleine Bergflüsse und Wasserfälle und bereitet mir jedes Mal Freude, über die Steine auf die andere Seite zu balancieren. Der feine Wassernebel ist eine willkommene Abkühlung in der brennenden Sonne.
Vorbei an der Scheiben Alm und der Menta Alm führt mich der Weg bis hinab auf 1560 Meter nach Galtür. Von hier aus folge ich dem idyllischen Flußlauf der Trisanna über den Uferweg bis nach Ischgl. Ich finde, für die vielen Kalorien zum Mittag darf es ruhig ein paar Schritte mehr sein. Die Schuhe „dampfen“ noch, als ich die Dusche betrete und den Wandertag ausklingen lasse.
Von Hamburg bis zur Niederelbe
Der Sonntag bricht fröhlich heiter herein. Zusammen mit Robert, unserem Bergwanderführer, und Frédéric Morel, dem Hamburger Sternekoch, schlage ich den Weg zur Niederelbehütte ein. Mit dabei sind noch weitere Wanderbegeisterte aus Deutschland und Österreich: eine tolle und lockere Gruppe heute. So macht mir persönlich Wandern richtig Spaß. Abwechslung, Unterhaltung, dazu noch Berge. In Aussicht steht die geschmorte Almochsenschulter auf der Hütte. Mehr brauche ich nicht, für einen gelungenen Tag.
Die Wanderung führt uns gemütlich von der Diasbahn und dem sich anschließenden Sessellift über den „Kieler Weg“ zur Niederelbehütte. Zu unserer Linken immer der Fernblick ins Paznauntal und zu den Bergen auf der anderen Seite. Kurzzeitig verlieren wir die Hütte aus dem Blick, bevor wir sie wieder direkt über einem Wasserfall fast in Reichweite glauben. Ein etwas längerer Schlenker erspart uns einige Höhenmeter, bevor wir direkt am Wasserfall entlang aufsteigen. Von der Hüttenwirtin Petra werden wir schon erwartet und herzlich empfangen. Auf der Terrasse findet sich fast kein Platz mehr und es herrscht reger Betrieb auf der Hütte. Während sich Frédéric Morel in der Küche zu schaffen macht und die letzten Feinabstimmungen zusammen mit den Hüttenköchen vornimmt, lehnen wir uns zurück und ruhen uns aus. Als Vorspeise wird uns die von mir geliebte Brettljause gereicht, bevor Frédérics Gericht den kulinarischen Höhepunkt an diesem Tag bestreitet.
Die Madaunspitze nord-westlich der Niederelbehütte scheint alle anderen Gipfel zu überragen und fesselt mich besonders. Eine Bergspitze wie aus dem Buche. Leider schieben sich dicke Wolken genau über diesen Bergkamm und zwingen uns zum Abstieg nach Kappl. So sind nun mal die Berge. Es fällt mir schwer, mich aus dem Alpenpanorama zu lösen.
Wieder zurück an der Talstation der Diasbahn, bleiben mir schöne Erinnerungen an die Tiroler Alpen mit kulinarischen Höhepunkten nicht nur geschmacklich, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes hoch: auf den Hütten mitten in den Bergen. Für Kalorienreserven für die nächsten Wanderungen ist nun ordentlich gesorgt.
Auf Einladung vom Tourismusverband Paznaun – Ischgl.
Moin Dominik,
Wandern, Essen und gute Leute um sich herum, was will man mehr?
Toller Bericht, jetzt habe ich Kohldampf 🙂
Beste Grüße aus Oldenburg
Matthias