Nervenkitzel beim Besuch von Kirchen hat man immer mal. In Tigray treiben mir aber Debre Damo und Abuna Yemata Guh wirklich Schweißperlen auf die Stirn. Wer hier hin möchte braucht wirklich Nerven aus Stahl und Vertrauen in Lederriemen und ein abgegriffenes Seil. Da ich immer noch in der Lage bin, diesen Text hier zu schreiben, zeugt von einem überlebten Kletterabenteuer zu einem einsamen Kloster und der schönsten Kirche Äthiopiens. Was alles auf dem Weg von Aksum nach Mek’ele passierte, könnte Bücher füllen.
Yeha
Viel ist nicht geblieben von Äthiopiens erster Hauptstadt. Abgelegen von der Hauptstraße von Aksum nach Adigrat nur über eine Schotterpiste zu erreichen, liegen die Runinen von Yeha heute in einem kleinen Dorf. Trocken und staubig erlebe ich Yeha. Über die Geschichte streitet man sich noch, aber deutsche Archäologen sind fleißig an der Arbeit.
Die Ruinen aus dem 8. bis 5. Jahrhundert vor Christus sollen durch Sabateer oder sabatanisch beeinflusste Äthiopier gebaut worden sein. Im kleinen, überteuerten Museum erklärt mir der Priester einige sabatanische Inschriften.
Die Ruine selbst ist gerade eingerüstet und wird restauriert. Grat Beal Gebri ist immer noch eine Ausgrabungsstätte. Beides beeindruckt mich nur bedingt, auch wenn die Geschichte diesen Ort irgendwie im Griff hält.
Debre Damo
Meine Reisegruppe für Debre Damo, zusammengewürfelt aus Pauschal- und Individualreisenden, erreicht den Klosterfelsen in großer Erwartung. Einige Tage zuvor hatte mir eine Person der Stammbesetzung im Minibus den Floh ins Ohr gesetzt, hierher zu fahren; und dann mit etwas Glück konnte ich mich der Gruppe für einen Tag anschließen.
Nach 10 Minuten Fußmarsch erreichen wir die Felswand oder eher gesagt den Eingang zum Kloster. 15 Meter steil bergauf und für kurze Zeit kein Weg in Sicht. Dann aber wird das armdicke Seil herab geworfen und ein Priester klettert uns entgegen. Einige Sekunden später fällt das zweite Seil herab. Ein Lederriemen, zusammengestückelt aus mehreren Teilen und mit einer Schlaufe am Ende.
Als Jüngster der Gruppe werde ich als Versuchskaninchen auserwählt und die Schlinge schließt sich um meine Hüfte. Ich kann gar nicht so schnell mitklettern, wie mich der Priester von oben, wohlgemerkt alleine, hochzieht. Kurz noch den Kopf am Mini-Eingang eingezogen und ich bin oben. Die anderen folgen mehr oder weniger schnell.
Auf dem Felsplateau erwartet uns eine Kirche und ein kleines Dorf der Mönche. Gebaut aus Steinen, schmucklos, aber charmant hergerichtet und mit einem wahnsinns Ausblick, liegt das Dorf in einer einzigartigen Landschaft.
Beim Versuch, zur Kirche zu gelangen, werden wir aber gestoppt. Mittagszeit ist Gebetszeit und so dürfen wir nicht in die Nähe.
Dies wird uns bei unserem Abstieg etwas zum Verhängnis. Eine bewaffnete Wache verlangt das Ticket für die Kirche, welches wir aber nicht haben. Wir haben ja die Kirche nicht betreten und dort gibt es das Ticket. Also beginnen die Diskussionen. Teils lauthals, fluchend und ungeduldig werden die Meinungen ausgetauscht. Es hilft aber alles nichts. Wir sind „Geiseln“, beziehungsweise gefangen auf einem Felsen und der einzige Weg nach unten blockiert. Mein Fluchtversuch wird vereitelt und nach langem, vergeblichen Suchen nach dem Quittungsbuch und dem Kassierermönch geben wir nach und drücken der Wache das Geld ohne Quittung in die Hand. Der Abseilmönch, der uns gerne früher abgeseilt hätte, darf uns daraufhin hinunterlassen. Warum man nicht einfach dem Abseilmönch das Quittungsbuch gibt und ihn schon beim Aufstieg kassieren lässt, bleibt ein Mysterium.
Genug von Kirchen für den Tag setzen wir unsere Fahrt Richtung Mek’ele fort. Mein libanesischer Mitreisender und ich lassen uns an der Kreuzung nach Hawzen herausschmeißen. Für läppische 2000 Birr (100$) wurde uns ein Auto für 20 Kilometer angeboten. Wir schlagen den Luxus aus und laufen einfach los. Keine 10 Minuten später werden wir von einem Minibus für umsonst mitgenommen. Einmal am Tag kann man ja mal Glück haben.
Abuna Yemata Guh
Die Saftsucht hat mich in Aksum gepackt. Einen Kaffee zum Frühstück reicht nicht mehr und so müssen wir den Weg von Hawzen nach Megab schon im ersten Saft-Laden unterbrechen. Dafür geht es umso motivierter weiter. Das überteuerte Angebot lehnen wir dankend ab und trampen lieber. Von Megab aus laufen wir vier Kilometer Richtung Westen und biegen auf eine kleine Schotterstraße nach links ab. In der Ferne sehen wir schon den Felsen, aber Abuna Yamata Guh versteckt sich noch vor uns. Unser Fußmarsch bringt uns durch ein kleines Dorf, die Gemeinde am Fuße der Kirche. An mehreren Bauernhäusern vorbei, führt der Weg über trockene Felder hinab zum Brunnen und zum ausgetrockneten Bach. Kurz darauf beginnt der Anstieg. Zuerst noch leicht, dann immer steiler die Treppen hinauf. Unter einem Baum setzen wir uns in den Schatten und ruhen uns aus. Der Priester kommt uns hinterher gehechtet und ist froh uns eingeholt zu haben. Denn wir haben anscheinend das Kassenhaus übersehen. Wir zahlen unseren Eintritt und keuchen dem rasenden Priester nach. Immer weiter bergauf, bis wir nicht mehr weiter kommen. Wie am Vortag, versperrt uns eine Felswand den Weg.
Nur dieses mal müssen wir die Schuhe ausziehen und die Wand ohne Sicherung und doppelten Boden erklimmen. Eigentlich einfach, es sind Handgriffe und Fußmulden in den Fels geschlagen, aber es kostet doch Überwindung. Oben angekommen, erklärt uns der Priester in bestem Englisch die Geschichte von Abuna Yemata Guh und zeigt uns ein altes Felsengrab. Die letzten Meter zur Kirche überqueren wir auf einem kleinen Felsvorsprung. Es geht 200 m links hinab und nur 10 Meter nach vorne.
Eine kleine Mutprobe, aber als der Priester die alte Holztür entriegelt und wir von den Wandmalereien einfach umgehauen werden, sind diese schwierigen Momente schnell vergessen. Abuna Yemata Guh ist für mich einfach die schönste Kirche Äthiopiens. Die Wand- und Deckenmalereien sind nicht kitschig wie in anderen Kirchen ausgeführt, sie sind aus einer Meisterhand entsprungen. Sie erzählen die Geschichte der äthiopischen Kirche. Wir legen uns einfach auf den Boden und bewundern diese einzigartige Gestaltung.
Die Bibel aus dem 5. Jahrhundert, geschrieben und bemalt auf Ziegenleder, sieht noch aus wie neu und wir staunen einfach nur. Überwältigt treten wir den Rückweg an. Der Abstieg geht einfacher von der Hand, als wir denken. Und zurück auf der Straße nimmt uns auch wieder das erste Auto zurück mit nach Megab. Das Mittagessen haben wir uns verdient. Leider müsste ich für meinen Saft nach Hawzen fahren, aber man kann nicht alles haben.
Kaffeepause
Gestärkt und ausgeruht verlassen wir Megab in Richtung Maryam Korkor, eine weitere Kirche in den Bergen. Die Abkürzung führt uns über Felder, entlang von Kakteen-Umzäunungen, kleinen Bauernhäusern und dem gewaltigen Bergmassif auf unserer rechten Seite. Als wir schon einige hundert Meter vor dem Aufstieg vom Ticketverkäufer abgefangen werden, entscheiden wir uns gegen eine zweite Kirche am gleichen Tag und schlängeln uns weiter über die Felder. Auf einem Baum schallt es plötzlich: „Kaffee, Kaffee?!“. Das Angebot, mangels Lust am weiteren Wandern, nehmen wir gerne an. Wir werden in eine interessante Welt gebracht. In einem kleinen Bauernhof, im großen Raum der Familie werden wir empfangen. Im hinteren Teil des Raumes türmen sich Säcke mit Vorräten. Auf der anderen Seite die zwei Betten für die zwei Eltern und die sieben Kinder; zwei Töchter und fünf Söhne. Die Wände rund herum mit Postern verziert. Einige zeigen die traditionelle Kaffeezermonie vor verschiedensten Sehenswürdigkeiten, während andere christliche Bilder und die Geschichte der nördlichen Klöster zeigen. Mittlerweile kennen wir uns damit aus und können sogar einige der Bilder identifizieren und zum Beispiel Debre Damo zuordnen.
Wir nehmen am Rand Platz. Im Zentrum wird der kleine Ofen aufgebaut und die Mutter fängt an, Kaffeebohnen aus eigener Ernte zu rösten. Das gelungene Ergebnis wird uns vor dem Mahlen dampfend präsentiert und dann in einem Mörser zerstampft. Mit großem Geschick kocht sie den Kaffee in alt hergebrachter Form und serviert ihn uns. In der Zwischenzeit reden die jüngeren Söhne gesellig mit uns und ein Familienmitglied nach dem anderen kommt durch die Tür bis die Familie komplett ist. Selbst das jüngste gesellt sich dazu, auch wenn es von uns Fremden etwas verängstigt scheint.
Leider müssen wir dann wieder aufbrechen. Am Himmel ziehen dunkle Wolken auf und mit etwas Glück schaffen wir es fast trocken in das 14 Kilometer entfernte Hotel in Hawzen.
Der Muskelkater
Unsere Erinnerungen an die zwei nervenraubenden Klettereinlagen in den Kirchen von Tigray werden durch den anhaltenden Muskelkater aufrecht erhalten. Während Debre Damo für mich einen faden Beigeschmack behalten wird, war Abuna Yemata Guh ein wirklicher Höhepunkt und ist absolut den Nervenkitzel wert! Wer sich nicht traut, kann sich für einige hundert Birr einen Guide und Klettergurt nehmen und erreicht die Kirche sicherer, aber ohne das theoretisch kostenlose Adrenalin im Blut.
Und für eine Kaffeepause ist immer Zeit, oder?
Can someone help me find this story or it’s content in English.
Hello Kyle,
this story was published in German only. You can use this link for a brief (not perfect) translation. Feel free to ask questions.
Dominik
Beautiful pictures. I hope i understood your text but unfortunalety i speak a little german 🙂