Am Ende der Route National 7 erreichte ich Tuléar und das Meer. Und das auch noch Sonntags. Eine so ausgestorbene Stadt hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Alle Geschäfte geschlossen, die Straßen wie leergefegt, als wäre der Wilde Westen aus dem Isalo Nationalpark über geschwappt. Es fehlten nur noch die trockenen Grasbüsche, die durch die Straßen fegten.
Eine komische Atmosphäre. Selbst die Taxi-Brousse Station war ruhig und gemütlich und die Aufdringlichkeit der Pousse-Pousse-Fahrer hielt sich in Grenzen. Dafür fegte wirklich eine steife Briese durch die Stadt und belegte alles mit einer Sandschicht.
Party im Park
Einzig und allein im Park an der Strandpromenade schien es Leben zu geben. Junge Menschen tummelten sich entlang der Straße, Madagassen mit Fotoapparaten gesellten sich dazu und große Plakaten kündigten den Event des Monats an: Big MJ. Eine mir gänzlich unbekannte Persönlichkeit, die anscheinend aber in Madagaskar einen hohen Bekanntheitsgrad besitzt.
Für 3000 MGA (also knapp 0,90 €) ergatterte ich ein Ticket und nachdem ich dann auch endlich den nächsten Tag geplant hatte, ließ ich mich von der Menge schon um 5 Uhr nachmittags treiben und mitreißen. Nun gut. Eher nicht, den die Menge fand die Vorband nicht gerade spannend. Dafür wurde es umso lauter und die Stimmung begann wirklich zu brodeln, als Big MJ auf die Bühne kam. Mit vier weiteren Vazas – weißen Menschen – ließen wir uns von der Stimmung anstecken und feierten mit der Menge mit.
Zum Ausklang des Abends und um unseren Hunger zu stillen, gingen wir dann auf die Suche nach Essen. Das erste Restaurant hatte schon die Karte auf Cocktails umgestellt, dann reichte das Geld nicht und zum Schluss ließen wir uns bei einem Straßengrill nieder, um leckere, frische Zebu-Spieße von Grill zu essen.
Umzug ins Fischerdorf
Erwacht am frühen Morgen, geweckt durch die Sonne und den Hunger auf ein billiges Frühstück im Hotel, ging es auch gleich los, den Montag in Tulear zu genießen. Auch wenn ich es fast nicht mehr geglaubt hätte, die Stadt lebt. Nur halt nicht sonntags. Mein erstes Objekt der Kaufbegierde: ein Luxus-Artikel, ein beliebter, wenn auch unbrauchbarer Wunschgegenstand von Kindern, ein Artikel, den nur Vazas benutzen wollen, unbedingt benutzen sollten, es aber nicht immer tun: Sonnencreme.
17 Euro für eine Flasche à 200ml. Dennoch besser als 12 Euro für 40ml in Fianarantsoa. Bei dem günstigen Preis musste ich sofort zuschlagen. Auch wenn mein Konsum mittlerweile etwas zurückgegangen ist, um Vaza zu bleiben und nicht Britisch-Rot auszusehen, bleibt das Eincremen unerlässlich.
Um 11 Uhr traf ich mich mit Jean-Pierre, mein Reisebegleiter seit Fiana, und wir machten uns auf dem Weg zur Bushaltestelle. Unser nächstes großes Ziel, knapp 2 Stunden mit dem LKW entfernt, dennoch nur 17 km weit weg: St. Augustine. Ein kleines Fischerdorf, welches nun auch zwei Betten und wahrscheinlich eine Familie reicher ist. Denn als dann um 12:30 Uhr, der eigentlichen Abfahrtszeit, der LKW kam, wurden nicht die Passagiere eingeladen, sondern erstmal zwei Betten aufs Dach, 600 kg Reis in den Innenraum und tausende andere leichte und schwere Gegenstände. Genau so viel, dass man im Innenraum gerade noch so sitzen konnte.
Für 3000 MGA gab es einen Sitzplatz und ich als alter knausriger Reisender habe davon erst einmal zwei genommen. Als hätte ich es geahnt; ich konnte mich mit zwei Plätzen schon kaum noch bewegen. Eingeklemmt zwischen Bordwand, Pannenwerkzeug und anderen Reisenden, „genoss“ ich dann die Fahrt. Natürlich etwas weniger Genuss dafür etwas mehr „Schmerz“.
St. Augustine sollte sich als kleines, relaxtes Fischerdorf herausstellen. Zwei Hotels vor Ort und ein netter Manu, der Pirogé. Mit Manu habe ich dann gleich meine Überfahrt für den nächsten Tag ausgemacht. Denn am nächsten Morgen wollte ich nach Anakao weiterziehen.
Der Weg ist das Ziel
Nach diesem Motto war schon der Vortag erfolgreich abgeschlossen worden. Statt zwei Tage nach Anakao zu brauchen, kann man nämlich einfach das Schnellboot von Tulear nehmen, das einen dann direkt am Hotel der Wahl rausschmeißt.
Ich wollte aber keine drei Tage am stürmischen Strand verbringen. Also machte ich es mir etwas schwerer.
Pünktlich um 6 Uhr holte mich Manu, mein Bootsmann ab und verfrachtete mich in seine kleine Segel-Piroge. Teils mit Wind, teils mit der Kraft zweier Ruderer, erreichte ich nach etwas über einer Stunde das Fischerdorf Soalana auf der anderen Seite des Flussdeltas.
Von dort aus wanderte ich 10 km am Strand entlang bis nach Anakao. Auf dem Weg begegneten mir viele Fischer-Pirogen, spielende und leider auch bettelnde Kinder und hier und da mal eine Krabbe, die sich aber schnell wieder in ihrem Loch verkroch. Die vier Stunden an fast leerem Strand waren eine Wohltat nach den ganzen Menschenansammlungen der letzten Wochen. Mehrfach wurde mir eine Weiterreise in einer Piroge angeboten. Jean-Pierre nutzte am nächsten Tag den Zebu-Karren und war von Soalana auch nicht schneller in Anakao.
Wäre nicht das Schnellboot, würde Anakao für den durchschnittlichen Europäer am Ende der Welt liegen. Das hat schon seinen Charme. Das Meer und den Strand für mich alleine haben, war schon lange ein Traum.
Hausgemachte Ravioli
In Anakao machte ich es mir im Peter Pan gemütlich. Geführt von zwei jungen Italienern, ist das Hotel am Strand ein leicht verrückter Ort mit viel Liebe zum Detail und einer gewissen Gelassenheit, die ansteckend ist. Eigentlich wollte ich Tauchen gehen, aber da spielte das Wetter einfach nicht mit und neben der steifen Brise regnete es auch noch. Zuerst machte ich mir noch Sorgen, ob ich am nächsten Tag überhaupt nach Tuléar zurückkommen würde, entschied mich dann aber, mich der Gelassenheit von Dario anzuschließen und erstmal einen guten italienischen Kaffee zu trinken.
Zum Abendessen zauberten Dario, Valerio und ihr Team hausgemachte Ravioli. Wie auch immer sie die Zutaten für das exzellente Abendessen an diesem abgelegenen Ort aufgetrieben haben. Es war einfach nur köstlich und als Geburtstagsgeschenk für Fred eine großartige Idee, die wir spontan bei einer Kokusnussbombe hatten.
Schnell zurück, aber naß von oben
Der letzte Tag am Meer begann wieder etwas regnerisch und das Meer gab sich beste Mühe, eine unangenehme Fahrt mit dem Schnellboot zu bescheren. Dario bot mir erstmal einen Kaffee an und ich wartete dann auch nicht mehr lange auf das Schnellboot zurück nach Tuléar. Die Überfahrt war überraschend ruhig, aber obwohl sich der Bootsmann Mühe gab, zwischen den Wolken hindurch zu navigieren, wurden wir von oben nass.
In Tuléar verbrachte ich dann die Wartezeit auf meinen Flieger zurück nach Tana mit Essen. Frühstück im Blû, Mittagessen im Blû und Abendessen am Flughafen.
Das Blû ist ein nettes Restaurant und der deutsche Besitzer gab mir noch viele hilfreiche Tipps und Ideen für meine Weiterreise auf dem afrikanischen Kontinent.
Wie auch immer es dann Air Madagascar am Abend geschafft hat, aber das Flugzeug war pünktlich. Eine große Ausnahme, wenn ich nach den Reiseberichten meiner Begleiter zu urteilen vermag.
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