Warten auf das große St. Petersburg

Ich fühle mich mit meinem riesigen Rucksack schon fast schikaniert, als ich am Leningrader Bahnhof in Moskau zwei Mal durch eine Sicherheitskontrolle gehen muss. Ich werde schief angeschaut, weil ich auf die witzigsten Weisen versuche, den Rucksack auf meine Schultern zu hieven. Langsam verliere ich die Lust, das schwere Ding zu bewegen und so bin ich froh, als ich pfützenspringend bei meiner Couch in St. Petersburg ankomme. Meine Sneakers lösen sich mittlerweile auf und sind außen wie innen triefend nass. Als ich mich mit großen Mühen aus dem winzigen Fahrstuhl im achten Stock quäle, warten Kata und ihr Mann schon auf mich.

St. Petersburg von oben

Keiner von 80

Die genialen Schuhtrockner haben am nächsten Tag meine Sneakers wieder in tragbare Elemente verwandelt. Ich entscheide mich aber für die wasserfesten Wanderschuhe, denn der Tag sieht wie keiner von 80 aus; wie keiner von 80 Sonnentagen in der Kulturhauptstadt Russlands. Zusammen mit Kata verlasse ich die Wohnung am Morgen und fahre mit ihr in die Stadt. Einfach mal sehen, was mich so erwartet. Kata muss weiter zur Arbeit und schickt mich noch in der Metro in die richtige Richtung. Als mich das System entlässt, stehe ich im Zentrum von St. Petersburg. Kleine Flaggen auf meiner Karte wehen um die Wette und buhlen um einen Besuch. Erst jetzt wird mir die Dimension der Stadt bewusst. Die Metrostationen liegen fast zwei Kilometer weit auseinander, es lohnt sich gar nicht von A nach B mit der Metro zu fahren. Ich laufe.

Isaakskathedrale

Eine starke Brise weht mir entgegen, als ich über die Newa laufe. Die Liste der Sehenswürdigkeiten am heutigen Tag wird lang: Michaelsburg, Sommergarten, Marsfeld, Peter-Paul-Festung, Schloßbrücke, Eremitage und Winterpalais, Isaakskathedrale, Christi-Auferstehungskirche, Kasaner Kathedrale, Newski Prospekt, etc.. Eine Liste , die kürzer nicht sein könnte. Es gibt einfach so viel zu entdecken und zu erkunden. Hunderte prachtvolle Häuser und Paläste schmücken die Stadt.

BlutskircheZig Kanäle durchziehen die Metropole und ehemalige Hauptstadt Russlands. Die Stadt tut es mir auf der einen Seite an, auf der anderen Seite ist es eine Stadt. Nach nur einem Tag habe ich davon schon wieder genug. Autolärm und drängelnde Touristen verderben mir etwas die Laune und sind nicht besser als Moskau und andere große Städte. Einzig die Newa bereitet mir unheimliche Freude; das wilde Gewusel von Booten, die tolle Aussicht auf die Eremitage bzw. die Peter-Paul-Festung.

Peter-Paul-Festung

Beine im Bauch

Mit dem Schnellboot fahre ich am nächsten Tag aus der Stadt zum Peterhof. Der Beginn eines langen Tages und unendlichen Wartens. Die Aufzählung der Wartepunkte sprengt jegliche Vorstellung. 30 Minuten für ein Bootsticket, eine Stunde bis zum nächsten freien Boot, 15 Minuten an der Kasse zum unteren Park des Peterhofes, 90 Minuten für das Ticket für das Innere des Palastes, 40 Minuten zum Eingang des Palais und dann nochmal einige Minuten bis zum Einlass in die Räume. Mein Tag verfliegt und ich habe nichts gesehen. Im Peterhof wird der Besuchstakt dann noch von den Touristengruppen vorgegeben, die sich in unvorstellbaren Massen durch die Ausstellung schieben. Ich habe es so satt und bin froh am Nachmittag einige erlösende Kilometer durch den riesigen Park schlendern zu können. Als sich dann auch noch der Bus auf der Rückfahrt bis ins unermessliche füllt, ist jeglicher Spaß vorbei. Nochmal eine Stunde stehend im Bus und eine dreiviertel Stunde in der Metro bringen meinen Tag an den Rande des Attributes „grauenvoll“.

Peterhof

Als sich das Spiel am nächsten Tag am Katharinenpalast in Pushkin wiederholt und ich ganze drei-ein-halb Stunden in praller Sonne für ein Ticket anstehe, um das berühmte Bernsteinzimmer zu sehen, sehe ich rot. Ich beschließe das Ende meiner Besichtigungstour in St. Petersburg – zumindest für den Anteil, der mit Warten verbunden ist. Ich möchte die Schönheit des Peterhofes und des Katharinenpalastes nicht abstreiten. Es gibt hunderte prachtvolle und menschliche Gründe, die Ensembles der Zaren zu bestaunen. Die Parks und Fontänen können nichts anderes als begeistern.

Der gemütliche Teil

Ich habe das Warten satt. Die letzten beiden Tage bestimme ich den Rhythmus. Morgens schließe ich mich noch einer Free-Walking-Tour in der Innenstadt an, bevor ich mich nachmittags entlang der Newa und der Kanäle treiben lasse. Mittlerweile bin ich auch von der Couch im Norden der Stadt in ein Hostel in die Innenstadt gezogen. In das beste Hostel, dass ich meiner Meinung nach je bewohnt habe, dem Soul Kitchen Hostel. Das Hostel bietet mir eine unheimliche Wohlfühlatmosphäre und so ziehe ich mich hier hin zurück.

Brückenöffnung in der Nacht

Erst kurz nach elf Uhr abends zieht mich der Hunger wieder auf die Straße. Pünktlich zu den nächtlichen Brückenöffnungen bin ich wieder an der Newa. Auf ihr treiben gefühlt alle Boote der Stadt, gefüllt mit Schaulustigen. Ich reihe mich in vorderster Reihe an der Promenade ein. Die Gebäude, Kirchen und Paläste sind nun ins prächtige Licht der Scheinwerfer gestellt. Ein Traum für jeden Fotografen.
Mit dem Einsetzten der Musik öffnet sich langsam die Schloßbrücke. Die anderen Brücken folgen ihr später in der Nacht.

Ich kehre in mein Hostel zurück und als der neue Tag erwacht bleibe ich. Und wieder ist es der Hunger, der mich aus dem Hostel wirft. Es ist mein letzter Tag in der Stadt und ich finde meine Ruheoase auf der Insel „New Holland“. Auf einem Sitzsack im Park lasse ich mich nieder und döse vor mich hin.

New Holland

Die Pause habe ich mir verdient und mein Aktivurlaub in Russland nimmt doch noch ein ruhiges Ende. Ich reflektiere meine Russlanderlebnisse und komme zu einem positiven Schluß. Das Erlebnis auf dem höchsten Berg Europas, dem Elbrus, gestanden zu haben und der Besuch in den beiden Metropolen Moskau und St. Petersburg haben einen positiven Eindruck bei mir hinterlassen.

Dominik in einer Raumkapsel

Eine Antwort zu “Warten auf das große St. Petersburg

  1. Bonjour mon cher. Une ville merveilleuse.
    J‘ espère que tu y avais du plaisir.

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