Grundschule: Jeder fängt mal klein an

Ich kann mich noch an meine Grundschulzeit erinnern. Ein roter, zweistöckiger Backsteinbau, ein toller Schulhof und eine große Wiese gleich daneben. Mit meinen kleinen Kinderbeinen durfte ich immer durchs Dorf nach Hause laufen; vielleicht 600 oder 700 Meter. Ob ich nun 15 Minuten brauchte oder 60 Minuten, weil ich noch den Umweg über den Spielplatz genommen habe, hat keinen gestört. Ich glaube, ich kann mich glücklich schätzen, dass ich die Schule im Dorf hatte und einfach laufen konnte. Kaum vorzustellen, dass ich mehrere Kilometer zur Schule laufen hätte müssen. Meine Eltern hätten mich sicher zur Schule gefahren oder ein Bus hätte mich abgeholt.

Aber wie ist es, wenn man diesen „Luxus“ nicht hat?

Schulheft in Hamdakonkoure

Schulheft in Hamdakonkoure

Die Zukunft eines Landes hängt von der Bildung seines Nachwuchses ab und die beginnt in vielen kleinen Grundschulen; wenn sie überhaupt vorhanden sind. Mir wird auf meiner Reise nach Guinea wieder einmal klar vor Augen geführt, wie es auch sein könnte und wie gut wir es in Deutschland haben.

Schulweg für Hartgesottene

Die Nacht war etwas kürzer als die anderen und gefühlt auch kälter. Es ist 05:30 Uhr am Morgen, schon seit einer halben Stunde singt der Muezzin in der Moschee nebenan. Ich sitze im T-Shirt im Freien und warte auf meinen fahrbaren Untersatz. Für heute ist ein Schulweg der besonderen Art geplant. Amadou, Max und ich wollen eine Grundschule 40 Kilometer westlich von Télimélé besuchen. Um der Mittagshitze zu entkommen, muss ich jetzt am Morgen frieren. Ich weiß noch nicht wirklich was besser ist. Es dauert noch eine gefühlte Ewigkeit, bevor sich auf dem Hof etwas regt. Ich hätte vielleicht doch auf mein „Afrika-Gefühl“ hören sollen. Lieber etwas später kommen, als mit deutscher Pünktlichkeit ins kalte Wasser fallen. Ich bin schon ein Weichei; 17 Grad und mir ist kalt. Ob Sonne am Tag oder Kälte in der Nacht; mir kann es nicht recht gemacht werden.
Reiserichtung

Noch schnell ein Baguette als Frühstück und dann steigen wir schon auf die drei Motorräder. Zwei der Fahrer sind Mechaniker, also beste Voraussetzungen zum Ankommen. Zwei Mechaniker für drei Motorräder für 80 Kilometer. Hier sollte der aufmerksame Leser etwas stutzig werden. Und ja, die Straße ist wirklich zum Haare raufen. Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen über die Berglandschaft strahlen, verlassen wir Télimélé. Kurz bevor die Sonne über den Horizont steigt, steigen wir von den Motorrädern und bestaunen die Landschaft.

Sonnenaufgang in den Bergen

Sonnenaufgang in den Bergen

In den Hängen sind Reisfelder angelegt und dazwischen wechseln sich Bäume und Sträucher ab. Die rote Straße folgt den Tälern und Bergkämmen und schlängelt sich hoch und runter. Das Wasser in der Regenzeit hat einige Teile der Straße in eine felsige Mondlandschaft verwandelt und die Motorräder haben ihre Not, sich einen Weg zu bahnen. Ein Geländewagen bräuchte hier Stunden um auf diesen Abschnitten vorwärts zu kommen.

Raue Piste - Absteigen ist angesagt

Raue Piste – Absteigen ist angesagt

Unterwegs mit dem Motorrad

Unterwegs mit dem Motorrad

Drei Stunden für 40 Kilometer sind schon eine gute Leistung. Wir haben unseren Schulweg nach Tianguel-Kene hinter uns. Die letzten 300 Meter laufen wir zu Fuß in das Dorf. Uns erwartet hier die erste von drei Grundschulen des „Projekt Misside Guinea e.V.“. Im Jahre 2003 starteten die Planungen für diese Schule mit drei Klassenzimmern und 2005 konnte diese Grundschule eröffnet werden.

Schüler der Grundschule in Tianguel-Kene

Schüler der Grundschule in Tianguel-Kene

Lehrer mit Grundschülern in Tianguel-Kene

Lehrer mit Grundschülern in Tianguel-Kene

Wir werden schon erwartet. 120 Kinder aus einem Umkreis von sieben Kilometern umzingeln uns und heißen uns herzlich willkommen. Unser Schulweg war hart, aber bis zu 14 Kilometer jeden Tag für Bildung laufen, ist beeindruckend. Vor allem heute ist es umso beeindruckender. Es ist Generalstreik in Guinea und die Schulen haben eigentlich geschlossen. Trotzdem sind alle Kinder und Lehrer da, um uns zu begrüßen. Wir werfen einen Blick in die Klassenzimmer. Für uns posieren die Kinder; fast! Nachdem der Schuldirektor ein paar Witze erzählt hat, lockern sich die Gesichtszüge und die Schüchternheit weicht. Aber erst als wir wieder die Zimmer verlassen, geht das Getuschel los.

Schüler in Tianguel-Kene

Schüler in Tianguel-Kene

Wir erfahren, dass die Schule in dem Ort schon für reges Wachstum gesorgt hat. Viele Familien sind in Schulnähe gezogen. Auch weil direkt neben der Schule im Jahre 2006 ein Brunnen gebaut wurde.

Für die Schule vor Ort und die zweite Grundschule im Nachbarort haben wir noch einige Spenden, wie Bücher und Stifte, im Gepäck. Der Krankenschwester aus der ersten vom „Projekt Misside Guinea e.V.“ ebenfalls hier gebauten Krankenstation übergeben wir medizinisches Material.

Einladung zum Mittagessen

Einladung zum Mittagessen

Zum Mittagessen wird für uns eine Ziege geschlachtet und wir werden reich bekocht. Unser Plan, noch vor dem Mittagessen zurück in Télimélé zu sein, löst sich in Luft auf. Auch unser Versuch, nach dem Essen direkt zurück zu fahren, wird gestoppt. Die Männer des Dorfes wollen sich nochmal für unser Engagement und unser Kommen bedanken. Schlußendlich kommen wir doch los. Wir laufen zu den Motorrädern etwas außerhalb und strapazieren unsere Hintern ein weiteres Mal. Ein harter und zum Glück einmaliger Schulweg!
Amadou unterwegs

Der holprige Heimweg

Die 10 Tage in Télimélé sind vergangen wie im Flug. Wir haben die Berufsschule weiter vorangetrieben, einiges erlebt und müssen uns nun auch leider wieder verabschieden. Es fällt allen schwer wieder abzureisen. Da der Generalstreik in der Hauptstadt noch akut ist, fahren wir erst am frühen Nachmittag los. Die Strecke kommt mir länger vor, als auf der Hinfahrt. Es ist ein regelrechtes Geschaukel im Auto und unser Fahrer hat ein Händchen für Schlaglöcher. Als Auftakt unserer Pannenserie geht der Motor einfach aus. Schnell ist das Problemchen gefunden und der Benzinschlauch wieder befestigt. Der Fahrstil bleibt dennoch sportlich für eine solche Piste. Mit 50 km/h haben wir schon das Gefühl abzuheben. Aber wir kommen voran.

Erste Panne

Erste Panne

Kurz vor der Brücke über den Konkure-Fluß, biegen wir ab. Wir wollen die dritte Grundschule, die erst letztes Jahr eröffnet wurde, besuchen. Auch hier werden wir von allen Schülern, Lehrern und Eltern empfangen. Nach einer Besichtigung der Räumlichkeiten nehmen wir Platz für den offiziellen Teil. Es wird langsam auch schon Abend. Unsere Mägen freuen sich über den Mittagstisch, der für uns bereitet wurde. Wir sind einfach nur etwas zu spät und funktionieren es in ein Abendbrot um.

Schüler der Grundschule Hamdakonkoure

Schüler der Grundschule Hamdakonkoure

Als die Nacht hereinbricht, sind wir noch drei Stunden von Kindia entfernt. Die Fahrer geben ihr Bestes. Im Pick-Up fallen vor Kindia die Bremsen aus. Nur mit Motor und Handbremse schleppt sich das Auto mit unserem ganzen Gepäck bis in die Stadt. Eine Reparatur ist um die späte Zeit nicht mehr möglich und das Ersatzauto soll am nächsten Tag nachkommen. Wir quetschen alle Personen in die verbliebenen zwei Autos und brechen nach Conakry auf. Auf halber Strecke platzt dem in die Jahre gekommenen Wagen ein Hinterreifen. Erst nach einer knappen Stunde gelingt es, den Reifen zu wechseln. Als sich dann 10 Minuten vorm Ziel in Conakry auch noch der Ersatzreifen in Luft auflöst, liegen die einen unserer Gruppe schon in der Unterkunft im Bett, während der Fahrer meines Autos nachts um 2:30 Uhr noch versucht, einen Reifen aufzutreiben.

Panne in der Nacht

Panne in der Nacht

Fast 12 Stunden nach Abfahrt in Télimélé erreichen wir, die letzten und gebeutelten Teilnehmer der Exkursion, die Unterkunft. Sogar unser Gepäck hat uns noch überholt und es mit dem Auto ohne Bremsen zu uns geschafft: eine fahrerische Meisterleistung.

Klein anfangen und groß werden

Unsere Reise endet hier in Conakry. Wir genießen den letzten Tag, gehen noch einmal auf den Markt, kaufen die letzten Souvenirs und packen ein letztes Mal unsere Koffer auf den Pick-Up. Die drei Autos, die uns zum Flughafen begleiten, sind randvoll. Jeder möchte sich persönlich von uns am Flughafen verabschieden und es wird ein herzlicher Abschied!

Letztes Mal packen - auf dem Weg zum Flughafen

Letztes Mal packen – auf dem Weg zum Flughafen

Verabschiedung am Flughafen

Verabschiedung am Flughafen

Für mich geht eine großartige Reise zu Ende. Ich musste diese Reise schon mehrmals verschieben und ich bin froh und glücklich, es endlich geschafft zu haben, dieses Projekt persönlich vor Ort zu unterstützen. Es ist beeindruckend, zu sehen, was sich aus dem kleinen Projekt der ersten Grundschule entwickelt hat. Die drei Grundschulen, zwei Krankenstationen, ein Brunnen und die jetzt sich im Bau befindliche Berufsschule sind eine wahre Bereicherung für die Region.

Auch wenn unser Weg zur Schule beschwerlich war, so bleibt er es für die Kinder, die jeden Tag mehrere Kilometer zur Schule laufen müssen. Für sie sind die Grundschulen ein Tor zur Welt.

Unterstütze das Projekt

Wenn dir das Projekt gefällt, bist du herzlich eingeladen, es zu unterstützen. Es ist ein kleiner Verein und die Spendengelder gehen direkt in das Projekt. Mit einer Spende von nur 20 Euro kann man den Schulbesuch eines Kindes in Télimélé für ein ganzes Jahr finanzieren. Für 100 Euro erhält man in Guinea 1.500 Ziegelsteine, für 250 Euro fünf komplette Fenster und für 500 Euro das gesamte Wellblech für ein Dach. Jede kleine Spende hilft!

Mehr Informationen unter http://www.projekt-misside.de oder auf Facebook

Guinea – Schule fürs Leben

Teil 1 – Conakry im Morgengrauen
Teil 2 – Begrüßung à la Télimélé
Teil 3 – Berufsschule: Hier lernt man Schwitzen
Teil 4 – Die Natur ruft – Hochland von Guinea
Teil 5 – Grundschule: Jeder fängt mal klein an

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