Ich muss wieder Sport machen. Mit dem Fahrrad zur Arbeit ist schon ein guter Anfang. Aber, ob davon wirklich die Pfunde des Winterspecks purzeln? Ich bin mir da nicht so sicher. Es müssen also noch weitere Aktivitäten her. Bürostuhl-Wettrennen scheidet aus: zu wenig Potential.
Zurück zu den Basics und der Natur. Ich schnappe mir also meine Wanderschuhe und mit ein paar anderen Leuten trete ich die Reise nach Bayrischzell an. In München einfach ein Bayernticket gekauft, in den BOB gehüpft und nach etwas mehr als einer Stunde Zugfahrt sind wir in Bayrischzell. Als Frühjahrswanderung haben wir uns nichts Schweres vorgenommen. Wir haben auch zwei Kinder dabei, die wollen natürlich auch oben ankommen. Daher ist unser Ziel vom Bahnhof auch schon in Sichtweite: Der Seebergkopf. Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Es liegen zwischen uns und dem Gipfelkreuz auf 1538 Metern immerhin 700 Höhenmeter und fünf Kilometer Wanderstrecke.
Der Tag ist wundervoll. Die Sonne scheint, kleine Wolken hängen am Himmel, es ist aber dennoch etwas diesig. Das Gipfelkreuz können wir nur erahnen. Obwohl wir erst kurz vor Mittag starten, sind recht wenige Menschen zu sehen. Noch in München am Gleis hatten wir die Befürchtung, dass die Menge Leute am Gleis mit uns nach Bayrischzell fahren möchte. Zum Glück wurde der Zug geteilt und die Menschenmassen an einen anderen schönen Ort verfrachtet. Bis zur Endstation des BOB fahren nur wenige und so starten wir in unserer kleinen Gruppe den Aufstieg.
Gleich am Anfang schlängelt sich der Weg durch den Wald. Er gibt uns Schatten und lässt uns nicht gleich von Anfang an schwitzen. Ich war noch nicht so oft mit Kindern wandern und bin etwas skeptisch, ob die Tour was für sie ist. Es sind laut Markierung nur 2,5 Stunden bis auf den Gipfel, aber für wen das bemessen ist, keine Ahnung. Besser als erwartet schlängeln wir uns im Zickzack den Berg hinauf. Der Pfad ist schmal und links geht es abwärts. Trotzdem kommen auch unsere Höhenängstler nicht ins Straucheln. Es scheint noch im Möglichen zu sein. Hin und wieder legen wir eine kleine Pause ein. An der „Sankt Josephs Deliciusquelle“, kurz vor der Neuhütte, füllen wir unsere Wasserflaschen auf.
Dann haben wir die erste Etappe geschafft. Auf einer Bank an der Neuhütte lassen wir uns nieder und haben unsere erste Brotzeit. Wir liegen super in der Zeit und können die Landschaft in Ruhe genießen. Hinter uns tollen Hunde auf der Almwiese und vor uns eröffnet sich der Blick ins Ursprungtal. Am Horizont verschwimmen massive, schneebedeckte Bergketten mit dem in leichtem Dunst behangenen Himmel. Der Blick hinauf zum Seebergkopf bleibt durch den Wald verhindert.
Nach unserer Rast, schlängelt sich unser Weg sanft weiter den Berg hinauf. Wir erreichen kurz darauf die Seebergalpe. Von hier aus geht es steiler bergan. Hier kommt fast jeder ins Schnauben. Unser Trainingslevel ist einfach noch nicht super. Immer wieder begegnen wir weiteren Wanderern, dennoch ist es nicht überlaufen. Nach insgesamt drei Stunden nach unserer Ankunft am Bahnhof von Bayrischzell erreichen wir den Gipfel. Es sind die Kinder, die ganz vorne weglaufen. Diese Powerpakete haben den Berg erklommen und die Erwachsenen abgehängt.
Auf dem Gipfel eröffnet sich uns ein 360°-Panorama. Vor uns im Tal liegt Bayrischzell, umgeben von weiteren Bergen des Mangfallgebirges mit Wendelstein, Traithen, Trainsjoch, Sonnwendjoch, Rotwand und Aiplspitz. Besonders hebt sich der Wendelstein mit seiner Bergwetterwarte und dem Observatorium ab. Wir lassen uns im Gras nieder und genießen die Sonne. Jede kleine Wolke lässt es aber immer mal wieder kühler werden. Die zweite Brotzeit ist jetzt wohl mehr als verdient. Während über uns zwei Gleitschirme ihre Runden drehen und die Thermik voll ausnutzen können, futtern wir unsere Rucksäcke leer. Keiner will den Proviant wieder mit herunter tragen.
Nach knapp einer Stunde brechen wir unsere Zelte ab und kehren um. Langsam merken wir auch die Anstrengungen. Dennoch tragen uns unsere Füße in unter zwei Stunden zurück zum Ausgangsort. Vorbei an der Quelle, die wir nochmal zum Auftanken unserer Wasservorräte nutzen, wandern wir den Bergpfad wieder hinunter. Als wir dann die erste Asphaltstraße erreichen, ist es, als würden wir auf einer Rollbahn laufen. Der Berg fehlt uns unter den Füßen.
Wir kehren in ein Café ein und überbrücken mit Kaffee, Kuchen und Apfelschorle die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges. Erstaunt bin ich über unsere kleinen Energiebündel. Die Kinder sind noch putzmunter. Irgendwie mache ich was falsch. Im Zug bekomme ich dann noch die volle Ehrlichkeit von Kindern zu spüren. Mein sonnengerötetes Gesicht wird als Hintergrund für ein Herz verwendet.
Ein Herz für einen tollen Ausflug zum Seebergkopf.
Sehr gut gestaltet und geschrieben