Vom Backpacker zum Platic-Bag-er: Plötzlich ohne Gepäck

Mit großem Gepäck unterwegs

Mit großem Gepäck unterwegs

Wenn man mit seinem Rucksack loszieht hat man meist hunderte Gegenstände und Kleidungsstücke von klein bis groß im Gepäck. Was passiert wenn man plötzlich ohne da steht? Welche sind wirklich wichtig und was braucht man eigentlich nicht? Was dient nur dem Komfort und welche Ausrüstung wird jeden Tag gebraucht? Diese Frage stelle ich mir vor jeder Reise. Aber im Laufe meiner Südamerika-Reise durfte ich mir diese Frage noch einmal unter erschwerten Bedingungen stellen.
Was ich seitdem alles in meinen Rucksack packe, könnt ihr in meinem Artikel „Die Kunst der Leichtigkeit: Rucksack leicht gepackt“ nachlesen. Denn darum soll es hier nicht gehen.

Und noch ein Satz, bevor ihr weiterlest: Ich möchte keine Angst vorm Reisen schüren. Ich möchte nur auf den Fall der Fälle aufmerksam machen und dazu animieren, dass man sich vorher Gedanken macht, wie man ihn vermeidet und was man tun sollte, wenn es eingetreten ist.

Was war passiert?

Ich fasse es mal kurz. Mein Rucksack war plötzlich weg! Gestohlen, entführt, verloren! Es kann jedem passieren, an jedem Ort, zu jeder Zeit. Mir ist es in San Salvador de Jujuy, im Norden von Argentinien, passiert. Ich war mit drei weiteren Backpackern auf einer Vier-Tagestour mit dem Auto unterwegs, als es gleich am ersten Tag passierte.

Es gibt viele Möglichkeiten wie er weg kommen kann. Hier ein paar typische Fälle, wo man sich den Rest denken kann:

  • Die Lieblingsairline weiß nicht mehr wo der Rucksack ist…
  • Man lässt seinen Rucksack im Auto…
  • Im Hostel– oder Hotelzimmer wird eingebrochen…
  • Der kleine Daypack im Bus liegt im Gepäckfach und man schläft seelenruhig durch die Nacht…
  • Der Kaffee schmeckt zu gut und man vergisst, dass es noch einen Rucksack gibt…
  • Die Busfahrt war so spannend und der Stopp kam so plötzlich…
  • Der Markt war heute aber voll mit Leuten…

Ich war also plötzlich ohne Rucksack. Das reicht, dass einem bewusst wird, was man wirklich braucht.

Am Abreisetag: Rucksack

Am Abreisetag: Rucksack

Was war in meinem Rucksack?

Minutiös auf meine erste große Tour vorbereitet enthielt mein Rucksack alles was ich dachte, werde ich in drei-ein-halb Monaten brauchen. 50 Liter nicht ganz vollgepackt, aber mit allem was man so denkt zu brauchen.
Wie der Polizeibericht zeigte, war die Liste lang, länger als mir bewusst war. So viele Sachen?! Bei Kleidung angefangen, über etwas Elektronik, Erste Hilfe, Badezeugs, Wäscheleine, Klammern, Klebeband, mein Tagesrucksack, meine Handtücher, Badehose, Hüttenschlafsack, die Postkarten für meine Sammlung, Kopien von meinen Reisedokumenten, Rechnungen und vieles mehr.

Was war nicht weg?

Glück im Unglück kann man nur dazu sagen. Mich hat es nur halb so schlimm getroffen, wie meine Mitreisenden. Ich hatte einige Gegenstände sicher am Körper. Somit waren mir meine Kleidung, mein Reisepass, mein Geld und Kreditkarte, mein Notizbuch, mein Fotoapparat, mein Handy und die Reisebibel, der Reiseführer, übrig.
Und somit auch die wichtigsten Dinge, wie die Kleidung am Körper, Reisepass und Geld nicht betroffen. Meine Chancen auf einen glücklichen Neuanfang waren also nicht schlecht. Meine Mitreisenden hatten etwas weniger Glück. Sie „verloren“ auch einen Computer mit den Reisebildern der letzten Monate und ihre Kreditkarte. Zu dem immateriellen Schaden kam nun noch dazu, das ohne Geld fast nichts mehr geht: kein Essen und keine Unterkunft. Natürlich halfen wir uns in dieser Situation und es fand sich eine Lösung für alles.

Wie kann man sich Vorbereiten?

Zu Hause

Ich empfehle jeden sich kurz Gedanken zu machen, was man im Falle eines Totalverlustes machen würde. Dazu gehört:

  • wichtige Dokumente scannen und online ablegen (z.B. im E-Mail-Postfach)
  • Telefonnummern von Familie, Notfallkontakt, Banken, Botschaften und Sperrnummern heraussuchen und auch hinterlegen
  • Kontaktpersonen über seine Notfallprozedur einweihen und wichtige Dokumente und Telefonnummern hinterlegen, sodass sie im Notfall mit einem kurzen Anruf wissen, was sie zu tun haben und wie sie einem helfen können
  • sich und seinen Heimkontakt mit Geldtransfer-Möglichkeiten bekannt machen
  • Die Überlegung treffen, welche Gegenstände besonders gehütet werden müssen.

Um die Konsequenzen eines Verlustes abzusichern, kann man sich über Versicherungen Gedanken machen. Prüft aber vorher, ob vielleicht nicht schon eine Hausratsversicherung die Leistungen mit inbegriffen hat.

Während der Reise

Mit kleinerem Rucksack unterwegs

Mit kleinerem Rucksack unterwegs

Natürlich spielen hier die allgemeinen Verhaltensregeln eine Rolle. Ich möchte hier auch keine Tipps geben, wie man sich schützen kann, da ich sonst sicher etwas wichtiges vergesse. Wer mehr dazu lesen möchte kann bei Sarah vorbeischauen. Sie hat auf ihrem Blog die wichtigsten Verhaltensregeln gegen Diebstahl zusammengefasst.

Ich möchte nur auf die wichtigen Dinge eingehen, die man schützen muss (Im Notfall aber immer das eigene Leben zuerst!).

Da jeder seine eigenen Wertgegenstände für sich definieren muss, kann ich nur an Beispielen Tipps geben.

  • Reisepass: Wenn man unterwegs ist, sollte man ihn nie aus den Augen lassen. Im Hotel werden sie häufig kopiert und die Leute an der Rezeption verschwinden dazu auch gerne mal. Dafür lieber eigene Kopien bereithalten und herausgeben. Je nach Land kann man Idealerweise den Reisepass im Hotelsafe lassen. Dann aber unbedingt eine Kopie vom Pass und dem Visum mitführen, damit man während einer Kontrolle keine Probleme bekommt. Ich habe Polizisten oft nur eine Kopie gezeigt, das hat gereicht. Das gilt natürlich nicht für Länder, wo es Pflicht ist, den Reisepass immer mit sich zu führen. Ansonsten den Reisepass an einem sicheren Ort am Körper aufbewahren. Eine Handtasche oder die hintere Hosentasche finde ich nicht sicher genug.
  • Geld: In der Regel sollte man immer etwas Notfallreserven dabei haben. Es kann sein, das die Kreditkarte sich weigert oder auch mal der Geldautomat. Neben dem Tagesbudget, was ich in meinem normalen Geldbeutel habe, bewahre ich die Notfallreserven an einem anderen Ort (auch am Körper) auf. Die Nähe zum Reisepass sichert hier auch meine volle Aufmerksamkeit.
  • Kreditkarte: Die kleinen praktischen Plastikarten gehören zumindest bei mir zu den besten, aber auch heimtückischsten, Gegenständen im Gepäck. Sie versorgen mich mit Geld in Landeswährung, lassen einen aber auch mal unvermittelt ins Leere schauen. Für einige Fälle muss man auf seine Geldreserven zurückgreifen, bei anderen auf den besten Freund oder beste Freundin meiner Kreditkarte, meine zweite Kreditkarte. Hier einige Beispiele aus meinem Reiseleben:
    • Brasilien: Nicht alle Banken akzeptieren meine Kreditkarte. So stand ich nun auf dem Land mit einem Geldautomaten, aber dieser wollte meine Karte (trotz VISA) nicht akzeptieren.
    • Land im Nahen Osten: Ich hatte nicht bedacht, dass manche Länder mit Sanktionen belegt sind. So konnte mir der Geldautomat auch kein Geld geben.
    • Singapur: Ein kleiner Schluckauf in der Leitung nach Deutschland veranlasste meine Bank, meine Kreditkarte zu sperren. Die Automaten verweigerten mir also jegliche Zusammenarbeit. Geld bekam ich dennoch per „Cash-Advance“ von einer Wechselstube. Nach einen Anruf bei meiner Bank wurde die Sperre wieder aufgehoben.
    • Nepal: Stolz einen Automaten am Flughafen gefunden zu haben, wollte ich ihm Geld entlocken. Das funktionierte auch. Ich bekam meine Karte genau in der Sekunde zurück, als der Strom ausfiel. Meine Karte war nur knapp einem Stromausfall zum Opfer gefallen.
    • Nepal: Ein Streik bahnte sich an. Da die meisten Geldautomaten von Wachleuten bewacht werden, war die Sorge groß, das mit einem Streik auch der Geldautomat geschlossen sein würde.

    Und noch ein zwei andere Szenarien:

    • Ein Geldautomat ist manipuliert und man muss seinen Liebling sperren lassen.
    • Das Limit der Woche ist ausgeschöpft.
  • Bilder: Ist vielleicht nicht das Erste an was man denkt, aber man möchte seine Reiseerinnerungen ungerne davonschwinden sehen. Daher sollte man während der Reise immer wieder Backups von den Daten auf der Kamera machen. Da mittlerweile viele Daten anfallen, kann man sich je nach Land überlegen, wie man seine Bilder sichert. Einige Beispiele:
    • Die wichtigsten Bilder in die Cloud hochladen.
    • CD/DVDs brennen und nach Hause schicken (man kann auch gleich die ganze SD-Karte schicken). Wenn diese dann zu Hause ist und geprüft wurde, kann man die Daten auf der Kamera löschen.
    • Die Bilder auf einer weitern SD-Karte oder USB-Stick sichern und diesen wie den Reisepass behüten.

Was tut man, wenn der Fall eintritt?

Hier kann ich nur für mich reden, was ich getan habe oder wie ich besser gemacht hätte.

Zuerst sitzt einem natürlich der Schreck im Nacken. Panik versucht sich auszubreiten und man fängt an erst mal wie wild zu suchen und sich Gedanken zu machen, was fehlt, wo es sein und wer es gewesen sein könnte.

Meine Empfehlung lautet daher als aller Erstes: Keine Panik und Ruhe bewahren!

Man kann es meist nicht rückgängig machen und sollte daher nicht in die Schreckstarre verfallen, sondern ruhig und fokussiert vorgehen.

Meine neuen Plastiktüten

Meine neuen Plastiktüten

Es ist natürlich und auch gut, sich kurz aber detailliert umzusehen. Nach einem Rucksack in einem Zimmer suchen oder sich kurz umzuschauen kann sinnvoll sein. In diesem Moment sollte man sich Hilfe von Zimmergenossen, Hotel- oder Hostelpersonal oder umstehenden Leuten suchen. Diese kennen meist lokale Begebenheiten und können wenn man zur Polizei gehen muss beim Übersetzen helfen und bauen die Barrieren und Hemmschwellen ab.

In einem weiteren Schritt sollte man überprüfen, ob „weitere Wertverluste“ drohen könnten. Damit meine ich, ob z.B. die Kreditkarte, das Handy oder ein Computer betroffen sind. Ist die Kreditkarte „verschwunden“, muss sie sofort gesperrt werden. Auch bei Handys sollte man, außer sie sind mit einem Passwort gesichert, schnellst möglich die Karte sperren. Wenn geschützt sind, hat man etwas mehr Zeit und kann die Dinge ruhiger angehen. Es sollten dennoch schnellstmöglich alle Passwörter geändert werden, die auf dem Handy oder Computer gespeichert waren, damit keine weiteren Schäden durch PayPal-Betrug oder Bestellungen bei Amazon oder vielleicht auch Schäden am Bankkonto auftreten.
Sollten wichtige Dokumente verschwunden sein, Kreditkarten gesperrt werden müssen oder ähnliches, so lohnt es sich seinen Notfallkontakt zu Hause anzurufen. Dieser kann meist einfacher und schneller agieren. Das spart Telefonkosten, Zeit und Nerven.
Da mit einer Kreditkartensperre immer eine neue Karte mit neuer PIN verschickt wird (gewisse Banken habe eine Art Notfallkarte, die auch ins Ausland gehen kann), sollte man sich absprechen, was man wirklich benötigt.

Nun sollte man zur Polizei gehen und in dem Polizeibericht alles vermerken lassen, was gestohlen wurde. Es muss wirklich alles sein, denn wenn die Versicherung zahlt, dann nur das, was im Polizeibericht steht. Im Zweifelsfall sollte der Notfallkontakt zu Hause die lokale Polizei einschalten und sicherstellen, dass der Reisepass, ein Nummernschild oder Auto dort nochmal als gestohlen gemeldet wird, damit man einen Nachweis hat und kein Unfug mit dem Reisepass oder Dokument angestellt werden kann. Ich fand es damals wichtig, mir auch den Namen und die Durchwahl von dem Polizisten geben zu lassen, der vor Ort den Fall aufgenommen hat. Hätte ich noch Rückfragen gehabt oder die Versicherung noch etwas benötigt, so wäre ich schneller ans Ziel gekommen.

Die Versicherung sollte nun informiert werden (Vertragsbedingungen beachten). Sie hat manchmal noch besondere Anforderungen an den Polizeibericht oder an Zeugenaussagen. Bevor man weiterzieht, sollte man alles geklärt haben.

Ist nun der Reisepass abhanden gekommen, so gilt es sich bei der Botschaft zu melden. Manchmal existiert keine Botschaft des eigenen Landes im Reiseland. In diesem Fall kann man sich an Botschaften von befreundeten Ländern wenden. Ein Beispiel ist Sri Lanka. Hier betreut die Deutsche Botschaft auch österreichische Staatsbürger.
Die Formalien für einen neuen Reisepass werden dann von der Botschaft mitgeteilt und diese wissen auch, wie man sich mit den lokalen Behörden verständigt, damit man wieder ein gültiges Visum für das Land bekommt.

Meine ersten Einkäufe

Nachdem ich den Polizeibericht in der Hand hielt, begann die Zeit nach der „Apokalypse“. Meine neue Errungenschaft waren zwei Plastiktüten. Deren Inhalt beschränkte sich auf 8 Dinge:

  • ein neues Schloss für den Spinnt im Hostel
  • Zahnbürste
  • Zahnpasta
  • ein Stück Seife
  • ein Handtuch
  • ein paar Socken
  • eine neue Unterhose
  • ein neues Ladegerät für Handy und Kamera (weil ich in der folgenden Nacht noch ein Bewerbungsgespräch hatte)

Wie man sieht, braucht man nicht viel. Und das was man hat, dient nur dem Komfort.

Die Fortsetzung der Reise

Für mich war trotz des Vorfalls klar, dass die Reise weitergehen musste. Es kann passieren, es ist leider passiert und ich bin um eine Erfahrung reicher. Die folgenden Tage fuhren wir wie geplant weiter durch den Nord-Westen Argentiniens. Im Laufe der Zeit sammelten sich bei mir wieder eine neue Hose, ein Fleece und weitere Ausrüstungsgegenstände an. Ich kaufte sie immer, wenn ich sie brauchte. Knapp zwei Wochen später wurde aus meinen beiden Plastiktüten auch wieder ein Rucksack. Dieses mal kleiner und handlicher als der Vorgänger. Warum? Weil ich nun wusste, was ich vor Ort brauche und was nicht. Leider hat mir das keiner vor der Reise gesagt oder ich habe es nicht geglaubt, dass man mit ganz wenig auskommen kann. Seitdem reise ich immer sehr leicht und minimalistisch. Es ist teilweise besser sich vor einer langen Reise nur mit dem Nötigsten auszustatten (außer es wird besonderes Equipment benötigt) und sich dann vor Ort die restlichen Dinge zu kaufen.

Neuer Rucksack am Machu Pichu

Neuer Rucksack am Machu Pichu

Fazit

Reisen ohne Gepäck ist nicht möglich und gewisse Gegenstände bedürfen einer besonderen Sorgfalt. Wenn sie verloren gehen, ist man wirklich aufgeschmissen, aber nicht hilflos. Es gibt immer Auswege und Hilfe. Man sollte sich daher vorher kurz Gedanken machen. Sich deshalb zu Sorgen ist übertrieben, aber es reist sich leichter, wenn man weiß, es gibt einen Plan. Den im Fall der Fälle weiß man dann wie man sich zu verhalten hat.

Ist euch schonmal was ähnliches passiert? Und wie habt ihr es gelöst?

Eine Antwort zu “Vom Backpacker zum Platic-Bag-er: Plötzlich ohne Gepäck

  1. Das kommt mir bekannt vor: Auf meiner ersten Backpackertour wurde mir auch der Rucksack gestohlen. Das war auf der Strecke von Tikal nach Guatemala City. Er lag im abschliessbaren Kofferraum. Der Fahrer gab ihn offenbar dem falschen Passagier raus.

    Natürlich hat mich das geärgert. Aber im Nachhinein war es das beste, was mir passierte. Ich hatte in weise Voraussicht alles Unentbehrliche im Daypack bei mir. Der Dieb erbeutete nur eine Sammlung an getragener Unterwäsche und Also Sprach Zarathustra von Nietsche in der Reclam-Ausgabe…

    Ich richtete mich danach so ein, dass ich meine nachgekauften Kleider im kleinen Rucksack transportieren konnte. Da musste ich zwar jeden zweiten Tag waschen, aber dafür war es auch sehr angenehm mit wenig Gepäck rumzureisen. Vor allem aber lehrte mich das, wie wenig ich unterwegs eigentlich brauche. Seither habe ich von Anfang an etwa zwei bis drei Kilo weniger mit als zuvor.

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